Heft 
(1900) 9
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10. (8. ordentl.) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.

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einen Schlangenring trägt, dass die Dame an einem Schlangenbiss ver­storben sei. Wegen unglücklicher Liebe wieder sollen sich zwei Stifts­damen erschossen haben, deren Grab in dem Kreuzgang dieses Klosters von einem gemeinsamen Grabstein bedeckt ist. Immer wieder klammert sich der Volksglaube an eine unerklärliche Form und sucht sie auf seine Weise zu deuten. Noch vor einigen Wochen wurde einigen unserer Mitglieder von einer Frau Anno in Nudow erzählt, deren Grab­stein nur dieses Wort noch erkennen liess. So verdichten sich mit der Zeit die Erinnerungen an die seltsamen Zigeunergräber zu sagenhaften Erzählungen, so hat auch der fast den Blicken ganz entzogene Kirchhof vor dem Potsdamer Bahnhof schon zu Mythen Veranlassung gegeben.

Bei diesem Zuge, eine seltsame Form durch irgend eine Erdichtung zu begründen, ist es eigentlich wunderbar, dass sich ein solches Denk­mal einer Deutung bisher entzogen hat, welches gerade dazu aulfordert. Aber vielleicht ist sie nur nicht bekannt! Dieses steht in Chorin, ist mit kriegerischen Sinnbildern geschmückt und dennoch durch die In­schrift einer Frau zugeeignet. Es liegt die Erklärung nahe, dass der Stein ursprünglich eine andre Bestimmung gehabt hat, der er aus irgend einem Grunde entzogen ist.

Auch der Humor wagt sich hin und wieder auf die Kirchhöfe, wenn er auch nicht immer in der treuherzigen Form erscheint, wie sie die Inschrift am Oldenburger Friedhofsportal mit ihrem biedereno ewich is so lanck einscliliesst, sondern einen spröderen und derberen Zug besitzt. Ich will nur wenige erwähnen. Die eine soll sich in Templin i. U .*) befinden und recht ungalant sagen:

Hier ruht meine Frau,

Die soviel Jahre gezankt mit mir Wandrer gehe fort von hier,

Sonst zankt sie noch mit Dir.

Weniger grob und deutlich ist das Gedächtnis einer Bauernfrau in Gräbendorf bei Königs-Wusterhausen geehrt:

Was gesprochen, ist gehalten,

Ja es fanden sich noch Spalten, die das Besprochene wollten spalten;

Gott gab mir einen kräftigen Sinn,

Es ist ein köstlich Ding, geduldig sind,

Und auf die Güte

Des Herrn hoffen. 1844.

*) Leider habe ich sie nicht zu Gesicht bekommen, kann daher weder für die Thatsache einstehen noch für eine etwaige andere Lesart. Ich führe sie nichtsdesto­weniger an, um eine Bestätigung oder Berichtigung zu ermöglichen. Undenkbar scheint mir eine solche Grabschrift nicht. _>. ,

4 Äk 4 v 3 ,