Heft 
(1900) 9
Seite
28
Einzelbild herunterladen

28

Robert Mielke, Totengebrftuche und Totensagen in der Mark.

Sehr beliebt bei diesen Grabinschriften sind Anspielungen auf die Thätigkeiten der Verstorbenen. Der von Dr. Albrecht in dem Monats­blatt derBrandenburgia S. 176 d. Jahrg. angezogenen aus Brunne möchte ich eine andere aus Salzwedel an die Seite stellen, die einem 1711 verstorbenen Postmeister gewidmet ist:

Eile nicht, Wandersmann! als mit der Post. Auch die geschwin­deste Post erfordert Verzug im Posthause. Hier ruhen die Gebeine des Herrn Matthias Schulzen, Königl. Preuss. 25 jährigen unterthitnigst treu gewesenen Postmeisters zu Salzwedel. Er kam allhier 1655 als ein Fremdling an. Durch die heilige Taufe ward er in die Postkarte zum himmlischen Kanaan eingeschrieben. Darauf reisete er in der Lebens­wallfahrt durch Schulen und Akademien mit löblichem Verzug. Hernach bei eingetretenem Postamte und andern Berufs-Sorgen, bewies er sorg­fältig sein Christentum; bei vorkommenden Unglücksposten richtete er sich nach dem göttlichen Trostbriefe. Endlich bei seiner Leibes- Schwachheit, dem gegebenen Zeichen der ankommenden Todespost, machte er sich fertig. Die Seele reiste den 2ten Juni 1711 hinauf ins Paradies; der Leib hernachmals in dies Grab. Gedenke, fieser! boy Deiner Wall­fahrt beständig an die prophetische Todespost. Jesaia XXX VIII I.

Doch genug hiervon.

Die Grundstimmung in der Anwendung der Krone und der Grab­denkmale ist die gleiche; sie entspringt dem menschlich-schönen Gefühl, in dem Toten nicht den dauernd Abgeschiedenen, sondern nur den zeit­lich Getrennten zu sehen, der ja in der Vorstellungswelt des Volkes, wie sie die Sagen wiederspiegeln, selbst zeitweilig mit den Lebenden in Berührung treten kann. Darum sind selbst Verstorbenen, deren Leiber in unbekannter Erde ruhen, Denkmäler errichtet, darum heiligt das Kreuz als Symbol des Christentums die Stätte seines letzten Schlafes, darum hat sich auch diese Vorstellung zu der Forderung verdichtet, dass der lote sein Denkmal haben müsse, sei es auch nur der Stein- und Reisighaufen, die Vorübergehende dem Andenken eines Ermordeten errichten.

Dass lote umgehen, ist bei'eits gesagt, dass man sich aber auch von dem Aufenthalt im Grabe selbst bestimmte Vorstellungen machte, eigiebt sich aus einer Erzählung, die ich einst bei Trenenbrietzen hörte, nach der sich in der Nähe hätte ein Herr von Oppen in sitzender Stellung beisetzen lassen. Erinnert man sich dabei der uralten Erzählungen von Alarichs Grab im Busento, von Karl des Grossen Thronsitz im Aachener Dom von dem im Grabe sitzenden Bischof Siegmund von Halber­stadt von Barbarossas sagenumwobener Ruhestätte im Kvffhäuser, en t man daran, dass Harald Blauzahns Leiche und die seiner Nach­folger aufrecht vermauert wurden, dass selbst Till Eulenspiegel nach dei Ubeiheferung stehend beigesetzt wurde, so wird es wahrscheinlich,