Heft 
(1900) 9
Seite
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52 18. (9- ordentliche) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.

Friedrich der Grosse bei seiner geringen Meinung für die deutschen Künstler die heimischen Bestrebungen nach und nach zerfallen. Chodowiecki und allenfalls noch Bernhard Rode sind die Maler, die sich Geltung zu verschaffen wussten. Eingeborene Bildhauer von Talent gab es bei uns damals überhaupt nicht. Die Berliner Akademie der Künste existierte schliesslich nur dem Namen nach. Sie musste im Todesjahre Friedrichs erst wieder ins Leben gerufen werden. Neben den Franzosen, die mit ihrer graziösen Dekorationskunst und geschmackvollen Malerei, von Friedrich begünstigt, den Schlössern von Potsdam und Berlin die heitere Welt des Rokokos erschlossen, beschäftigte der König als Bild­hauer den in Paris gewordenen Tassaert, einen Niederländer; und auch dessen Gehilfe Godecharles war ein Niederländer, wie der Architekt Bouman d. A., der Schöpfer des alten Berliner Domes. Diese waren künstlerisch die Vertreter jenes sog. Zopfstiles, der für uns, trotz des klassizistischen Gepräges in der Architektur und des realistischen in der Plastik, einen üblen Beigeschmack besitzt. Eben genannter Tassaert wurde des jungen Schadow Lehrherr, ein Künstler, der nach dem Bericht seines Schülers, nur 8 bis 9 Antiken gelten liess, aber auch von diesen meinte: ihnen fehle leider die grace, die er dann an seinen eigenen Büsten gewöhnlich durch ein Lächeln zu geben sich bemühte. Im übrigen arbeitete dieser Niederländer allerdings, gleich Chodowiecki, durchaus auf der Basis des Realismus und nur darin war sein Schüler Schadow sein überzeugter Nachfolger.

Schwer war es sicherlich, alle Gewohnheiten des Zopfstiles zu über­winden und nur durch eifriges Studium der Natur möglich. Um so schwerer, als sog. Aktstudien damals selbst auf der Akademie nicht zum Lehrplan gehörten. Mehrere Mitglieder derselben thaten sich deshalb privatim zusammen und begründeten einen Aktsaal. Als Schüler von Tassaert durfte hier der junge Gottfried mitzeichnen und weil er französisch gut verstand, korrigierte ihm Direktor Lesueur oftmals die Übungen. Schadow erzählt auch, dass Chodowiecki den Akt in einer ungewöhnlichen Grösse mitzeichnete und allen missfielwegen zu genauer Beibehaltung aller Fehler des lebenden Modells.

Das zweite Korrektiv für den Bildhauer war das Studium der Antike, dem Schadow ohne Frage stets eine lebhafte Teilnahme widmete. Aber man darf nicht vergessen, dass jene Lehrzeit unseres Künstlers noch iu eine Epoche fiel, da bei uns die Gebildeten, trotz Winkelmanns und Lessings Schriften, noch keineswegs von dem Geiste des klassischen Altertums so tief durchdrungen waren, um das Heil wenigstens der Plastik in dessen Nachahmung lediglich zu erblicken. Göthe hatte ja erst kurz zuvor seinenGötz gedichtet und für das Strassburger Münster, für den nationalen Meister Erwin von Steinbach geschwärmt. Auch Gottfried Schadow stand mit beiden Füssen auf