Heft 
(1900) 9
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18. (9. ordentliche) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.

Schadow war im Herzen anderer Meinung, wenn er auch immer wieder, dem allgemeinen Geschmack nachgebend, neben seinen Entwürfen mit dem Zeitkostüm auch solche mit antiker Gewandung komponierte. Seine Überzeugung wurde noch durch die Erfahrungen auf einer amt­lichen Studienreise nach Kopenhagen und Stockholm, die freiwillig nach St. Petersburg ausgedehnt wurde, bestärkt; offiziell sollte er lediglich das technische Verfahren des Bronzegusses studieren. Er bewunderte vor allem das Stockholmer Gustav-Adolph-Denkmal von Sergell, weil hier der Schwedenkönig kostiimlich getreu nach dem Leben dar­gestellt ist. Jede fremde Tracht, meinte er hierzu, ist eine Verstellung und dient nur dazu, die Sache unkenntlich zu machen. Innerlich ting damals bei Schadow der nordische Realismus an über den Idealismus des Südens zu triumphieren.

Der erste monumentale Versuch in der neuen Richtung ist das 7 Fuss hohe Standbild Friedrichs des Grossen in Stettin, enthüllt im Oktober 1793. Der König trägt Generals-Uniform , dreieckigen Hut und Hermelin-Mantel. Das wirkt zusammen immer etwas gesucht; auch fehlt es hier nicht an einigen allegorischen Hinweisen. Befriedigt war deshalb der Meister keineswegs mit dieser Lösung der Aufgabe.

Die erste wirklich neue Tliat seines Realismus war das Zieten- Standbild auf dem Wilhelmsplatz von 1794, das später durch eine Bronzekopie ersetzt wurde. liier ist eine streng zeitgeschichtliche Figur gegeben und eine schlichte, aber markante Pose für einen Truppen­führer gewählt. Die drei Reliefs am Postament schildern in sonderbar abgekürzter Weise drei Kriegsthaten Zietens; ihr halbmalerischer halb­plastischer Stil entspricht der knappen künstlerischen Ausdrucksweise der Hauptfigur. Ähnlich charakteristisch wirkt die Statue des Alten Dessauer von 1800, die ursprünglich im Lustgarten stand; aber nicht ganz so glücklich wie der Zieten.

Diese und andere Denkmalsarbeiten zeigen deutlich die Richtung an, in der sich der unermüdliche Bildhauer immer entschiedener bethätigen wollte. Aber das grosse Werk blieb auch in der Folgezeit aus, und statt der Erfüllung seiner Pläne, zog sich die Angelegenheit des Friedrichs­denkmals fruchtlos durch drei Dezennien. Mancher wird da vielleicht an Michelangelo und sein Papst Giulio-Denkmal in Rom erinnert werden. Wenn unser Meister die Enttäuschungen minder tragisch empfand als der grosse Buonarroti, so geschah das wohl darum, weil für ihn ein thatsächliches Recht auf diese Arbeit nicht bestand. Bewarben sich doch fortgesetzt neben ihm andere, auch Maler und Architekten. Auf den Berliner Kunstausstellungen z. B. von 1791 und 1797 wimmelte es förmlich von Modellen und Zeichnungen zu einem Friedrichsdenkmal. In letzterem Jahre hatte Schadow allein wieder 7 neue verschiedene Entwürfe hergestellt: 2 Standfiguren, 3 Reiterfiguren, 1 Thronender Friedrich