3. (2. ordentliche) Versammlung des IX. Vereins]ahres.
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zöpfchcn im Pelzbesätze des Rockes, die linke Hand mit einem Blümchen zur Nase hebend, die Rechte lässig herabhüngend; der Herr, in derselben Tracht wie der Reiter, steckt die rechte Hand in den Busen des faltig aufgehobenen Mantels, die linke aber hat er in ziemlich respektvoller Entfernung in das rechte Ellbogengelenk der Dame gelegt. Auf der linken Seite steht unmittelbar hinter dem Einhorn eine der zur rechten stehenden in jeder Beziehung, nur von der Gegenseite, völlig symmetrisch entsprechende Dame, nur dass sic in der erhobenen rechten Hand ein weiss getüpfeltes Tüchlein darreieht. Der ihr folgende Reiter entspricht ebenfalls völlig dem Gegenüber, nur dass sein Schimmel schreitet, und dass er seine linke Hand nur mit staunender Geberde emporhebt. Auf diesen folgt wieder ein Jliger zu Fuss, ebenfalls mit dem ganz kurzen Röckchen, aber einem gewaltigen Jagdmesser am Gürtel; mit der linken Hand hält er einen an die Schulter gelehnten sehr dünnen Jagdspiess, mit der erhobenen rechten setzt er ein Horn zum Blasen an den Mund. Den Schluss nach der linken Seite bildet wiederum ein untergefasstes Paar zu Fuss, das dem Gegenüber völlig entspricht, nur dass die Dame ihre Hände in einer an die mediceische Venus erinnernden Haltung präsentiert, der Herr aber sie mit der rechten Hand unterfasst und auf der linken Faust einen vom Rücken gesehenen, ruhig dasitzenden Falken trägt.“
Als wissenschaftliche Beilagen zum Jahresbericht der Elften Städtischen Realschule zu Berlin Ostern 1896 und 1897 ist ferner in 2 Teilen ein Aufsatz von Carl Cohn erschienen, betitelt „Zur litterarischen Geschichte des Einhorns“, welcher mit einem wahren Bieuenfleiss das einschlägliche Material von der ältesten Zeit bis zu dem wundersamen Einhorn auf dem Bilde Arnold Böcklins „Das Schweigen im Walde“ zusammenträgt und kritisch verarbeitet. Das brandenburgische Antependium wird leider von Cohn (II. S. 17) nur ganz im Vorübergehen gestreift; die Wernicke-Arbeit scheint Cohn ganz verborgen geblieben zu sein.
Das Natur geschichtliche, welches der Einhornsage zu Grunde liegt, ist unschwer zu erraten. Das einhörnige indische Nashorn (Rhi- noceros unicornis) hat zur Entstellung der Sage vom Einhorn Anlass gegeben*). Alsdann findet man seit unvordenklichen Zeiten den einen Stosszahn**) des Narwals, eines zur Ordnung der Wale gehörigen Meersäugetiers, Monodon monoceros, als Horn des Einhorns in den Museen und Sammlungen. U. A. ist das Narwalhorn der Stirn eines der zwei Wappentiere der englischen Krone, dem Pferde, aufgesetzt. Dies Einhorn der alten Zeiten, im Orient sowohl wie im Occident, gilt als ein
*) Die afrikanischen Nashörner (Rhinoceros bicornis, Rh. simus, Rh. oswellii, Rh. cucullatus haben zwei Hörner, passen also zum Vergleich hierher.
**) Eigentlich hat das Männchen 2 wagerecht im Oberkiefer stehende, 2 bis 3 Meter lange Stosszähne, der eine ist aber gewöhnlich verkümmert, während das Weibchen meist keine, sehr selten kleine dergl. Stosszähne aufweist.