Heft 
(1900) 9
Seite
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Pastor Zinunermann:

durch die Überflutungen der Nordsee vertrieben, hier eine neue Heimat suchten und fanden. Über den Ursprung des Namens Niedergörsdorf gehen die Meinungen auseinander. Niedergörsdorf heisst das Dorf wegen seiner tiefen Lage und im Unterschied vom nahen Görsdorf und Ilohengörs- dorf. Die einen leiten den Namen von dem bekannten Markgrafen Gors von Meissen her, die andern denken an einen Kolonisten, unter dessen Anführung die Einwanderung erfolgt sei. In der Stiftungsurkunde der KircheUnserer lieben Frauen, der ersten Kirche diesseit der Elbe, in Damm bei Jüterbog wird ein Gerosdorf erwähnt und in der Stiftungs- urkunde des Archidiakonats von Jüterbog aus dem Jahre 1174 vom Bischof Siegfried aus Brandenburg wird ein Gero als Zeuge angeführt.

Dorflage und Beschaffenheit.

Das Dorf liegt in der Richtung von N.O. nach S.W. die Kirche und der Kirchhof befinden sich in der Mitte der nördlichen Häuserreihe, aber etwas von der Strasse zurückgerückt. Merkwürdigerweise lagen die einzelnen Giebelhäuser und Gehöfte mit den Gärten nicht senkrecht zur Dorfstrasse, sondern mehr in der Richtung von West nach Ost, so dass sich die Dorfstrasse nach Osten hin erweiterte. Abgeschlossen wurde dort das Dorf durch den Krug und zwei Gehöfte dahinter in der Richtung von N. nach S. Nach S.W., wo die Schule, die Schmiede und die Hirtenhäuser lagen, verengte sich die Dorfstrasse. So war es möglich, dass am Abend das Dorf durch einen Zaun Scheerengerte ab­geschlossen werden konnte. Die Pferdeställe wurden ausserdem wegen häutiger Pferdediebstähle sorgfältig verschlossen. Auf der Dorfstrasse befanden sich die beiden Ziehbrunnen und die beiden Backöfen, in denen die Frauen backten und schmorten. Alte Rüstern auf der Strasse gaben dem Dorfe ein sehr freundliches Ansehen, es glich so einem saftigen schlesischen Dorfe. Obwohl ausser der Kirche sämtliche Gebäude mit Stroh gedeckt waren, wohnten die Leute doch mit grosser Sicherheit in denselben. Es ging die Sage, dass eine alte Zigeunerin, deren zerbrochenen Wagen man ausgebessert und welche überhaupt Barmherzigkeit hier erfahren hatte, prophezeit habe, dass Niedeigörsdorf vor Feuersgefahr verschont bleiben werde. In der That hat auch vom 30 jährigen Kriege bis zum Jahre 1886 hier kein Schadenfeuer stattgefunden.

Wie bescheiden die Leute in ihren Wohnungen gewesen, zeigt eine Beschreibung des Pfarrhauses aus dem Jahre 1670.

Pfarrhaus.

Im Eingang ist eine gebrochene Thür, geht in 4 eisernen Bändern und Haken, hat ein Schloss, Schlüssel, Klinke und oben einen hölzernen Riegel; der Boden im Hause ist gebohlt und die Decke mit Brettern ver-