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Zur Kunde des heimischen Jagdwesens.
52) Das Elch oder Elentier (Cervus alces L.) hat in der Jagd unserer Heimat eine grosse Rolle gespielt. Leider ist es seit langer Zeit ausgerottet, obwohl unsere Herrscher wiederholt den Versuch der Eingewöhnung mit Tieren aus Ostpreussen gemacht haben. Unter den Moorfunden unserer Gegend spielen Reste von Elen eine grosse Rolle. In und bei Berlin sind wiederholt Geweihe, Schiidel und Gebeine des Elchs ausgebaggert oder ausgegraben worden. Gegenwärtig ist dies edle, an die Gestalten der Vorzeit erinnernde Hirschwild auf ein kleines Schonrevier in Ostpreussen beschränkt, woselbst es strengstens überwacht und bestens gehegt wird. Die nachfolgenden Mitteilungen dürften deshalb das Interesse unserer Leser erregen.
Zunächst eine Jagd-Episode aus der Zeit, wo unser Kaiser, als Prinz Wilhelm, mit dem jagdfreudigen, später so unglücklich endenden österreichischen Kronprinzen Rudolf auf die Elch-Birsoh zog:
53) Die Oberförsterei Ibenhorst, nach welcher bekanntlich Prinz Wilhelm mit dem Kronprinzen Rudolf von Österreich sich zur Jagd auf Elchwild begeben hat, liegt am kurischen Haff in dem weitverzweigten Memeldclta zwischen den Hauptmündungen der Russ und der Gilge. Von der Mündung des Athmathstromcs bis zum Loyefiuss folgt ihr Gebiet, nur durch einzelne Privat-Ländereien davon getrennt, in einer Breite von durchschnittlich anderthalb Meilen der Küste des kurischen Haffs. Es ist ein niedrig gelegenes, bruchiges, oder aus schlickhaltigem Boden gebildetes Stück Land, nur hie und da überhöht von meist bewaldeten, ehemaligen Dünenhtigeln. Wenn beim Eisgang der Memel oder bei anhaltenden Weststlirmen durch den Rückstau der Wässer des Haffs Überschwemmungen eintreten, so ragen nur diese sandigen Höhen und das Ibenhorster Hochmoor über die Wasserfläche empor. Dort ist das Gebiet der sogenannten „Wasserstoppen“, wo Wasser- und Sumpfpflanzen ein üppiges Dasein geniessen und der geflügelte Bote Stephans, der Landbriefträger, seine amtlichen Touren mittels des Dienstkahnes zurücklegen muss. In der schlechten Jahreszeit, besonders zu Ausgang des Winters, wenn das Wasser nicht gefriert und der vollgesogene Boden nicht trägt, hört oft wochenlang, ausser auf den wenigen Kunststrassen, jeder Verkehr von Hof zu Hof auf, und der biedere Lithauer nennt diese trostlose Zeit den „Schacktarp“. — Etwa drei Fünftel des Ibenhorster Reviers sind mit Wald bestanden, ein Fünftel wird von dem grossen Ibenhorster oder Bredzuller Torfmoor eingenommen, den Rest bilden meist Wiesen. Den Waldbestand machen auf hochgelegenen Stellen Kiefern, weiterhin Erlen und "Weiden, vielfach auch Birken und Fichten aus. Ein Forstbetrieb im grossen Stile ist nicht gut möglich, und darum hat die königlich preussische Regierung dort dem sagenhaften Elch, einer dem Untergange geweihten Wildart, eine Heim- und Zufluchtsstätte eingerichet, welche der Oberförsterei Ibenhorst ihren Ruf bei jedem echten Waidmann gegründet hat. Besondere Verdienste um die Wiedervermehrung des Elchstandes in Ibenhorst hat sich Oberförster Axt, welcher das Revier 1873 übernahm und bis zu seiner im jüngsten Sommer erfolgten Versetzung nach Letzingen verwaltete, erworben. Er fand nur 74 Stück vor, hat aber durch seine unausgesetzten Bemühungen —
Wie man durch Gehilfen oder selber
Fängt der Elche hoffnungsvolle Kälber —