7. (4. ausserordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres. 9 ßg
Dann sprach Bürgermeister Daur, dem unser Mitglied, Stadtverordneter Gericke, erwiderte. Den Schlusstoast auf die Damen brachte mit glücklichem Humor unser Mitglied, Professor Krüner, aus. Zwischen diesen Reden trug die Mittenwalder Liedertafel vierstimmige Gesänge vor.
Nach dem Essen wurde die St. Moritz-Kirche besucht. Beim Eintritt empfing uns vom Organisten Felgentren vorgetragenes Orgelspiel, worauf Frl. Mertens unter Begleitung der Orgel eine Arie aus Haydns Schöpfung mit herrlicher Stimme sang. Dann trat Propst Sandmann vor den Altar, um über die Geschichte, den Bau und die innere Ausschmückung des Gotteshauses etwa folgende Worte zu sprechen:
„Wir befinden uns in einer gotischen, dreischiffigen Hallenkirche mit polygonem, dreischiffigem Chor. Sie besitzt reiche Sterngewölbe, die im Mittelschifte auf oblongen, mit Diensten besetzten, im Chor auf achteckigen Pfeilern ruhen. Diese verschiedene Struktur der Pfeiler, sowie das im Verhältnis zu ihnen gedrückt erscheinende Sterngewölbe zeigen, dass die Kirche aus Mangel an Mitteln nicht nach dem ursprünglichen, viel schöneren Plan erbaut ist. Sie dürfte aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammen.
Der schöne Altar (Flügelaltar) mit reichem Schnitzwerk und Ranken ist ein Geschenk der Kurfürstin Elisabeth, Gemahlin Joachims I. aus dem Jahre 1514. Er zeigt in seinem unteren Teile, der Predella, eine Darstellung Von zwei Engeln, die das Schweisstuch mit dem Antlitz des dornengekrönten Heilands halten. Der Liederdichter Paul Gerhardt, der bekanntlich einige Jahre (1651—57) als Propst in Mittenwalde amtierte, hatte sonntäglich beim Altardienst dieses Bild vor seinen Augen. Seiner gläubigen Versenkung in diesen Anblick verdanken wir wohl das schönste Lied der evangelischen Christenheit, das Lied: „0 Haupt voll Blut und Wunden“, das Paul Gerhardt auf Grund des alten „Salve caput cruen- tatum“ dichtete.
Über der Predella befindet sich der Mittelschrein. Er zeigt als Hauptdarstellung eine Kreuzesabnahme, in den Flügeln zwei Statuen von Heiligen, unten drei Wappen: das hohenzollernsche, den roten branden- burgischen Adler und das des nordischen Dreikönigreiches. Dieses letztgenannte ist das Wappen der Kurfürstin, die eine dänische Königstochter war. Auf dem Schreine sehen wir eine reiche architektonische Bekrönung mit spätgotischem Ornament. Sie wird von sechs Heiligen- Statnen gebildet, in deren Mitte eine Figur der mater dolorosa mit dem goldenen Herzen Jesu steht, während die Spitze die Gestalt des auferstandenen Heilands zeigt. Alles ist gut geschnitzt, polychrom bemalt und teilweise vergoldet. Auf der Aussenseite der inneren Flügel ist die Verkündigung Mariä gemalt. Restauriert ist der Altar i. J. 1862 durch den Bildhauer Koch in Potsdam.