Heft 
(1900) 9
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7, (4, ausserordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.

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werden soll. Aus dieser jüngsten Baugeschichte erzählte Herr Geh. Rat Blutli nicht ohne Humor, wie der Ersparnis wegen minderwertiges Material benutzt werden sollte und wie es erst seinem Eingreifen gelang es zu verhindern.

Das Anssenthor ist aus Ziegeln erbaut und besteht aus einem vier­eckigen Turm mit spitzbogiger Durchfahrt. Über ihm erhebt sich ein von zwei runden Ecktürmchen flankierter Oberbau, der einen hohen Giebel mit Spitzbogenblenden trägt. Das Bauwerk wurde i. J. 1865 restauriert und die Facjade durch kreisrunde Nischen und einen Mass- werkfries geschmückt.

In der Nähe des Thores, aber ausserhalb der alten Stadt befindet sich wie in so vielen märkischen Städten auch in Berlin war es einst so eine St. Georgskapelle. Sie ist um 1400 aus Backsteinen erbaut. Thür und Fenster sind spitzbogig, sehr einfach. Der Ostgiebel zeigt Nischen und Fialen. Die Kapelle wurde 1876 restauriert. Sie dient jetzt als Leichenhalle.

Nach einem Spaziergang durch die hübschen Anlagen in der Umgebung der Stadt, der uns auch nach dem Mühlenberg, dem höchsten Punkt der Gegend, führte, kehrten wir in das Fuhrmannsche Gasthaus zurück, um dem Vortrage des Propstes Sandmann über die Geschichte Mittenwaldes zu lauschen. Der Redner äusserte sich etwa folgender- rnassen:

Mittenwalde war eine deutsche Ansiedelung im Wendenlande des Teltow. Der Name der Ortschaft ist von ihrer Lage mitten im Buchwalde der sumpfigen Notte-Niederung hergenommen. Gegründet dürfte sie um die Mitte des zwölften Jahrhunderts sein. Die erste urkundliche Erwähnung findet sich um 1240. Auf einem Stein der früheren Stadtmauer soll die Zahl 1189 zu lesen gewesen sein. Man hat darin das Datum ihrer Errichtung sehen wollen. Doch dürfte die Annahme schwerlich berechtigt sein. In der Zeit der Gründung muss auch die Kirche erbaut sein als der letzte vorgeschobene Posten des Christentums gegen die heidnischen Wenden. Errichtet wurde sie vom Bistum Meissen und dem heiligen Mauritius gewidmet. Im wesentlichen hat sie heute noch dasselbe Aussehen, das sie damals erhielt. Doch geschah der Bau nicht ohne Hemmungen. Ich sagte Ihnen schon im Gotteshause selbst, dass die verschiedene Struktur der Pfeiler und der Charakter des Gewölbes auf mehrere Bauperioden schliessen lassen Um die Kirche hat sich die Stadt mit ihren einst hohen und festen Feldsteinmauern gebildet. Sie war nur von zwei Seiten zugänglich und besass daher nur zwei Thore: das nördliche, heute zum Teil erhaltene undBerliner Thor genannte und das südliche, neben dem sich ein Hügel befand, derUausgrabenberg, der den Ausblick in die sumpfige Niederung gewährte.