Heft 
(1900) 9
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7. (4. ausserordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.

Die chronistischen Nachrichten über Mittenwalde fliessen recht spärlich. Zuerst hören wir von einem Kampf, der um die Stadt ent­brannte. Als die Anhaltiner Markgrafen von Brandenburg geworden waren, strebten sie darnach geordnete staatliche Verhältnisse einzuführen. Zu den Gebieten, deren Besitz streitig war, gehörte unser Mittenwalde. Es wurde gleichmässig vom Markgrafen Heinrich von Meissen und den gemeinsam regierenden Brüdern Johann I. und Otto III. von Brandenburg beansprucht. Diese riefen den Erzbischof Willebrand von Magdeburg als Schiedsrichter an. Aber ehe er sein Urteil sprach, fiel Heinrich von Meissen über Mittenwalde her und nahm es in Besitz. Die branden- burgischen Markgrafen Hessen sich das nicht gefallen. Sie griffen ihn an und besiegten ihn. Mittenwalde öffnete ihnen seine Thore und blieb von nun an in ununterbrochenem Besitz Brandenburgs und Preussens lange Zeit als letzte märkische Stadt gegen Sachsen hin. Der Gunst seiner Fürsten hat es sich oft zu erfreuen gehabt. Dass die Kurfürstin Elisabeth, die Gemahlin Joachims I., der Moritzkirche 1514 den schönen Altarschrein stiftete, habe ich in meinem ersten Vortrag erwähnt.

Sonst wird Mittenwalde, das besonders als Festung geschätzt wurde und einmaleine Port gegen das Land zu Lusitz und Schlüssel des Landes genannt wird, im Mittelalter noch mehrfach erwähnt. Als Iinmediatstadt sandte es seine Deputierten zu den Landtagen und gehörte zu jenem Märkischen Städtebund, der sich nach dem Aussterben der Anhaitinischen Dynastie (1319) zur Aufrechterlialtung der Ordnung und zum Schutze gegen Gewalt gebildet hatte.

Eine neue Zeit brach an, als Martin Luther seine Stimme in Witten­berg erhob. Von Sachsen drang die neue Lehre nach Brandenburg. Aber Kurfürst Joachim I. war Luthers erbitterter Feind. Erst Joachim II., Sohn der frommen, evangelisch gesinnten Elisabeth, gab 1539 dem Evangelium freien Lauf in seinem Lande. Hier in Mittenwalde erbat sich der Rat der Stadt von Luther einen würdigen Geistlichen, der die neue Lehre rein und lauter predigen sollte. So wurde Petrus Garz 1543 der erste evangelische Propst.

Das alte Kirchenbuch berichtet von zwei schrecklichen Pest­epidemien, die die Stadt heimsuchten. Die eine, durch ein Weib aus Berlin eingeschleppt, wütete 1577 und raffte 516 Personen dahin. Es starben täglich 67. Die andere brach 21 Jahre später aus. Ihr erlagen 662 Menschen.

Noch schlimmere Zeiten brachte der 30jährige Krieg über die Stadt. Sie wurde fünfmal geplündert. Von den Kaiserlichen, von den Schweden, die 1637 bei Nacht Mittenwalde überfielen, raubten, in die Kirche drangen und den Propst Gallus Lutherus vor dem Altar erschossen, wiederum von den Kaiserlichen u. s. w. Zu diesen Plünderungen gesellte sich das schreckliche Kriegsgespenst, die Pest, die in dem ausgesogenen