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7. (4. ausserordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.
sich die schönsten seiner gottbegnadeten Poesie befinden, die in der ganzen evangelischen Welt gesungen werden und den Namen unseres Städtchens in eine unauflösliche Verbindung mit dem seidigen geltracht halten. Fontane vergleicht es in seinen „Wanderungen durch die Mark“ in dieser Beziehung mit Gohlis, an welchem Ort Schiller das Lied „An die Freude“ dichtete. Aber, sagt er, während tausende dahin wallfahrten, besucht Mittenwalde niemand. Und doch war es in seinem Propstei- Garten, dass ein anderes, grösseres Lied an die Freude gedichtet wurde, •las grosse deutsche Tröstelied: „Befiehl du deine Woge.“
Beinahe hundert Jahre später im August 1730 war der Name unserer Stadt in aller Munde. Der auf seiner Flucht eingeholte Kronprinz Friedrich wurde unter militärischer Eskorte eingebracht, um sich hier unter General von Grumbkow dem ersten Verhör zu unterziehen. Nach ihm verfügte der in Wusterhausen weilende erzürnte Vater seine Überführung nach Kiistrin. Zur Erinnerung an diesen Aufenthalt ist das Haus, in dem der Kronprinz damals wohnte, mit seiner Büste geschmückt.
Die Wunden des 30jährigen Krieges waren im Laufe der Zeit vernarbt. Da schlug der siebenjährige neue. Unsere Stadt lag zwar dein Kriegsschauplatz fern, aber die Nähe zur Hauptstadt wurde ihr gefährlich. Hierher drang nach der unglücklichen Schlacht bei Collin der österreichische General Haddick mit 4(XM) Kroaten und brandschatzte sie. Ein Haufe von 300 Kroaten unter Oberst Upsass löste sich von ihnen und drang in Mittenwalde ein. Er forderte eine hohe Kontribution. Glücklicherweise verscheuchte das Anrücken des Prinzen Moritz von Anhalt gegen Berlin den General Haddick, dem sich Oberst Upsass eiligst anschliessen musste. Im folgenden Jahre wurde Mittenwalde von 300 Kroaten unter Oberst Stimming stark gebrandschatzt und 1760 von den Küssen unter Totleben geplündert.
Nach dem siebenjährigen Kriege wurde Mittenwalde als Grenzstadt gegen Sachsen Garnisonstadt für ein Bataillon Jäger. Nach Berghaus lagen 271 Mann hier zuerst unter Oberst v. d. Oesten, dann v. Aweide und bis zum Ausbruch des Krieges 1806 unter York. Ein von diesem erbautes Haus trägt seine Büste und hat seinen Namen damit uns Mittenwaldern treu bewahrt.
Mittenwalde lag an der grossen Strasse von Berlin nach Dresden. Daher fand hier ein starker Postverkehr statt. Die Post war in dem Stutterheiinschen Hause, in dem jetzt die Propstei ist, untergebracht. Dieser grosse Verkehr hörte auf, als unsere Rivalin, Zossen, uns beim Bau der Chaussee nach Cottbus den Rang abgewann. Seitdem ist Mittenwalde gesunken und fast ein vergessener Ort geworden. Erst der Bau des schiffbaren Notte-Kanals führte dem Ort neues Leben zu, indem er die Industrie (hauptsächlich Herstellung von Ziegeln) förderte und die