Heft 
(1900) 9
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8. (5. ausserordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.

Dies muss auch für die Baukunst, wie schon angedeutet, gleich- massig behauptet werden, soweit die öffentlichen Gebäude und die Wohngebäude der grossen Städte in Frage kommen.

Eine Ausnahme mag allerdings als bautechnische Errungenschaft unserer Zeit anerkannt werden, d. i. die eigentümliche Konstruktion der grossen Gebäude für technische uud industrielle Unter­nehmungen. Diese Ausnahme ist zuerst durch die Industrieausstellungen in London, Nord-Amerika und Paris ins Leben gerufen worden, welche die Gebäude gewissermassen in grosse Schaukästen um wandelten und zwar auf Grund ausgedehnter Verwendung von Glas und Fasen. Solcherlei technische und industrielle Glaseisenbauten haben ihren Funzug seit Jahrzehnten mehr und mehr auch in Berlin gehalten, und eins der überraschendsten Beispiele wird uns durch den riesenhaften Neubau des Tietzschen Warenhauses in einer durch Grossartigkeit, Zweckdienlichkeit und Pracht ausgezeichneten Weise vor Augen geführt. Die Verwendung von Glas und Eisen hat aber ihre Grenze, einmal aus statischen Gründen, dann aus feuerpolizeilicher Vorsicht, weil bei grossen Bränden Schmiede- und Gusseisen sich derartig verzieht, dass dadurch der Zusammensturz ganzer Stockwerke veranlasst werden kann. Steinerne Wände, steinerne Pfeiler sind also nicht ganz zu entbehren vom ästhetischen Standpunkt gesprochen glücklicher Weise denn sie erhalten dem Warenhaus, das andernfalls eiuem riesigen Vogelbauer oder Terra­rium ähneln würde, dadurch den Charakter eines in sich geschlossenen wirklichen Bauwerks. Nun verlangt in dergleichen Kiesengebäuden, in denen tausende von Menschen verkehren, die Gesundheitspolizei mög­lichste Ventilation. Zugluft aber befördert die Gefahr einer Ausbreitung eines Schadenfeuers ausserordentlich und so gerät der Architekt in eine böse Zwickmühle, wie das auch bei der inneren baulichen Gestaltung des Warenhauses Tietz der Fall gewesen ist. Fis sei wegen der Lösung des hier gebotenen baulichen Problems dieserhalb besonders auf den nachfolgenden Spezialbericht verwiesen.

Ähnliche Betrachtungen wurden von manchen Mitgliedern der Brandenburgia mit den Gästen waren mehrere hundert Personen zur Stelle beim Betreten und Durchwandern des Warenhauses aus­getauscht.

Der Chef des Hauses, welcher auf besondern Wunsch die Besichtigung des Hauses noch vor dessen Eröffnung gestattet hatte, begrüsste die Erschienenen, wonächst dieselben sich unter mehrfacher Führung in Gruppen verteilten.

Folgendes wurde uns über die Entstehung des Warenhauses mitgeteilt.

Der Bau dieses umfangreichen Geschäftshauses ward im Jahre 1899 begonnen, wobei als erschwerendes Moment hinzu trat, dass das Haus Leipziger Strasse 49 erst am 15. Oktober 1899 abgebrochen werden konnte,