Nachträge zur Dortchronik von Nieder-Görsdorf.
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fremdes Wesen vom Dorfe fern zu halten. Aus solcher treuen Gesinnung ging auch der Beschluss hervor, Ihrer Majestät der Kaiserin im Jahre 1900 einen Glückwunsch zu senden, und die Freude war gross, als die Hohe Frau ihren herzlichen Dank aussprechen liess, und ausserdem auf die Darreichung unserer kleinen Dorfgeschichte geruhte, einen Beitrag von 300 M. zum Bau einer neuen Orgel zu übergeben.
Von Prozessen und Streitsucht ist nicht die Rede, ja seit langer, langer Zeit ist kein Prozess vor Gericht in der Erinnerung. Es kommen wohl Meinungsverschiedenheiten vor, ja auch rechthaberische Leute finden sich; aber der Friede ist nicht dauernd gestört worden und die Rechthaber werden bald erkannt und können nicht recht aufkommen. Oft ist die Rechthaberei spasshaft. Ein guter alter Hüfner hatte so gelegentlich mit dem Pfarrer über den Zaun hinweg eine Unterredung. „Herr Magister, ich denke mir, dass Frankreich dorthin liegt“ — er wies nach Osten. Nachdem er belehrt worden war, sagte er so im tiefen Ernst: „Nein, was ich mir so denke, das muss wahr sein und das lasse ich mir nicht nehmen.“ Darauf konnte ihm nur erwidert werden: „Nun, Vater M., dann glauben sie nur getrost, das wird sie nicht hindern, selig zu sterben.“ Hierbei ist noch zu erwähnen, dass vor 20 Jahren hier allgemein jeder ältere Einwohner mit Vater angeredet wurde, jetzt sagt man Herr. Ein schöner Fortschritt ist es auch, dass die hiesigen Gastwirte grössere Tanzsäle erbaut haben, so dass die Vergnügungen, aus den engen Stuben entrückt, mehr durchsichtig werden und eine edlere Gestalt annehmen.
Über Diebstahl in der Gemeinde ist nicht gerade Klage, und ausser einem Fall ist seit vielen Jahren niemand darum bestraft worden. Gegen llolzdiebstäble, welche wohl verübt werden, denn man schlägt diese Sünde weniger hoch an, sucht man sich dadurch zu schützen, dass man einige Stücke Kleinholz in dem aufgestapelten Holzhaufen anbohrt und mit einer Gabe Pulver so herrichtet, dass sie beim Verbrennen sehr leicht den Ofen sprengen können. Obst wird von den Knechten gestohlen, und sie tragen sich auf die Heuboden Vorräte für den Winter zusammen wie die Hamster. Diese Stehlereien, welche der Bauer geduldig über sich ergehen lässt, mögen wohl auch der Grund sein, warum die Leute weniger gutes Obst anpflanzen; sie kaufen das nötige vom Händler. —
In den Alleen findet man zumeist die saure Kirsche und Feld- ptlaume, w T ohl kaum einen Apfel- und Birnbaum. Trunkenbolde giebt es hier nicht; es ist selten, dass sich jemand dahin vergisst, und er kann sicher auf Geringschätzung rechnen. —
Einen nicht besonders guten Einfluss üben die nahen Artillerie- Schiessplätze aus. Dort giebt es ein fideles Leben; in den Wirtschaften, von denen 2 hierher gehören, werden Schänkmamsells gehalten. Auch