Heft 
(1900) 9
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10. (4. ordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.

indem sie den Lokalforscher über die Probleme der allgemeinen Ge­schichte unterrichtet und den Forscher auf allgemeinen Gebieten davon in Kenntnis setzt, was im einzelnen Falle aus den verschiedenen Gegenden Deutschlands an gleichartigem Material vorliegt.

Das vorliegende Heft enthält zwei uns besonders angehende Auf­sätze. Vom Archiv rat Dr. G. Sello-Oldenburg eine mit Bienenfleiss zusammengetragene Übersicht:Zur Litteratur der Roland-Bild­säulen. (Wird fortgesetzt.) Von unserm Mitglieds Professor Dr. Gustav Kossinna:Eine archäologische Reise durch Teile Norddeutschlands. Betrifft die Museen von Stralsund, Greifswald, Neubrandenburg, Stettin, Danzig, Marienburg, Graudenz, Thorn, Bromberg.

Hinsichtlich der BevölkerungsVerhältnisse bemerkt Kossinna von unserer Gegend:Die während der Bronzezeit nur zum kleinsten Teile germanische Mark Brandenburg, eine Anspielung auf die dakische Bevölkerung, worüber sich Kossinna bei Danzig, Marienbnrg, Graudenz, Thorn und Bromberg etwas ausführlicher auslässt. Bei der überaus grossen Bedeutung der einschläglichen ethnologischen Fragen für unsere Provinz Brandenburg und da der Herr Verfasser uns auf ein die Heimat betreffendes Werk über die vorgeschichtlichen Perioden und die prae- historischen Völkerschichten in Brandenburg leider noch immer in Hangen und Bangen warten lässt, bleibt mir nichts übrig, als seine bedeutungs­reichen kurzen Anführungen wörtlich von S. 2325 zu entnehmen.

Das schöne, mit reichen Mitteln ausgestattete und bestverwaltete Danzig er Museum zeigt aufs klarste die Ablösung der westgermanischen jüngeren Bronzezeit durch die spezifisch ostgermanische Kultur, wie sie aus den kleinen Steinkisten mit Gesichtsurnen und ihren Begleiterscheinungen zu­tage tritt. Alle anderen Kulturen und Perioden verschwinden in diesem Museum neben der Fülle der von mir auf die Jahre 800400 v. Ohr. fest­gelegten Zeit der ersten Besitznahme des Gebietes zwischen Weichsel und mittlerer Oder durch die Ostgermanen und zwar die Wandalen (nicht Goten wie bisher voreilig stets als zweifellos hingestellt worden ist). Das Schloss Marienburg beherbergt die namentlich für die ostpreussische Vorgeschichte wertvolle Sammlung des Herrn Blell-Tüngen (jetzt Gr.-Lichterfelde), während das kleine, aber schöne Graudenzer Museum ausschliesslich der Latene- und der sogenannten römischen Kultur der Ostgermanen des Weichsellandes gewidmet ist, jener Kultur, die westwärts nicht ganz an die untere Oder reicht, südwärts aber noch fast die ganze Niederlausitz, Posen, das nördliche Sachsen und Nord- und Mittelschlesien gewonnen hat und in Galizien bis an den Dniester zu verfolgen ist. In eine ganz andere Weit kommen wir da­gegen in Thorn (1. Städtisches, 2. Polnisches Museum) und Bromberg: neben der schon spärlicher werdenden Gesichtsurnenkultur zeigt sich sehr auffallend ihr ungermanischer Vorgänger, die karpodakische Be­völkerung der posensch - schlesisch - lausitzisch - sächsisch - nord- böhmischen Urnenfelder (Buckelurnen und ihre Weiterentwickelungen