Heft 
(1900) 9
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(11. 7. ausserordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.

des Papierbandes über eine Kanalöffnung, so strömt sofort die äussere Luft in den Kanal, hebt die Saugwirkung des kleinen Balges auf, das Spielventil öffnet sich, und die Pfeife ertönt. Zwar wird auch bei neueren grösseren Orgeln Druck- oder Saugluft zur Erleichterung des Spiels an­gewandt (pneumatische Orgeln), doch ist die Art der Öffnung und des Verschlusses der Luftkanälchen durch das gelochte Papierband eine spezifische Eigenart der mechanischen Musikwerke des Herrn Bacigalupo. Der Ruhm dieser als Patent gesetzlich geschützten Erfindung gebührt dem Sohne des Herrn B.

Die Papierrollen, die bisher in einer Länge von fast 70 m her­gestellt worden sind, gestatten die Aufführung beliebig langer Musik­stücke. So wurde bei der heutigen Besichtigung die vollständige Ouver­türe zum Tannhäuser mit Hülfe eines Bandes von 45 m Länge in 13 Minuten und ferner die Freischütz-Ouverture in 8 Minuten zu Gehör gebracht. Interessant ist die Herstellungsart dieser Bänder. Zunächst werden die Noten eines Musikstückes in Gestalt kleiner Eindrücke mit Hülfe einer Maschine auf einen Pappstreifen übertragen. Dieser wird sodann auf eine Rolle gewickelt, die durch eine gemeinsame Axe mit einem Rade von 1,5 m Durchmesser verbunden ist, über welches der Papierstreifen läuft.

Beim langsamen Drehen des Apparates greift ein kleiner Zapfen in die Vertiefungen des Pappstreifens, während gleichzeitig ein Stift die betreffende Stelle auf dem Papierband des grossen Rades markiert, die zunächst durch einen Bleistiftstrich hervorgehoben und dann später mit Hilfe eines besonderen Apparates coupirt wird.

Ausser den Orchesterorgeln werden in der Fabrik auch Orchester- Pianos mit Seiten und Pfeifen hergestellt, wobei der Anschlag der Hämmer und das Öffnen der Pfeifenventile ebenfalls durch Pneumatik erfolgt.

Doch auch Orchestrions älteren Systems mit Walzen, deren ein­geschlagene Stifte die die Spielventile öffnenden Hebelvorrichtungen in Thätigkeit setzen, sowie Drehorgeln (Leierkästen) in jeder Grösse liefert die Fabrik. In einem besonderen Raume werden die Gehäuse der Orgeln und die Holztheile der Pfeifen angefertigt. Die Fabrik beschäftigt z. Zeit etwa 70 Arbeiter, darunter 810 Italiener.

Es ist hier nicht der Ort, über den künstlerischen Wert der Leist­ungen mechanischer Musikwerke ein Urteil zu fällen; der springende Punkt für unser Interesse liegt sicherlich wo anders, nämlich in der bewunderungswürdigen Technik, durch welche jene mechanischen Leist­ungen erzielt werden. Jede künstlerische Bethätigung auch auf musi­kalischem Gebiet wird mit Hilfe einer Reihe mechanischer Leistungen zustande gebracht; die Hervorbringung eines Geigentones erfordert einen Fingerdruck von gewisser Stärke an einem Punkt der Saite, der mit