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Am Werbellinsee.
sind die Glocken der versunkenen Stadt Werbclow, welche wegen der Ungastlichkeit ihres Schlossherrn, eines mächtigen Zauberers, von einer armen Frau verwünscht worden ist. Von Zeit zu Zeit steigt eine Jungfrau aus der Tiefe herauf, um ihre Krlüsung zu erlangen. Wer ihr folgt und schweigend verrichtet, was von ihm gefordert wird, der kann sie erlösen, und alsbald wird die Stadt und das Schloss sieh in einstiger Herrlichkeit wieder inmitten des Sees erheben. Bisher hat noch keiner die l’robe bestanden, alle sind vom Sec verschlungen worden oder haben sich, von Trübsinn umfangen, hineingestürzt. Alljiihrlich will auch der See sein Opfer haben; besonders um Johanni herum ist eine unheimliche Zeit, wer dann llundegekläff aus dem See vernimmt, ist dem Verderben geweiht. Unterirdische Glinge haben von einem Schloss zum andern geführt, sie sind mit Schlitzen angehliuft, die von Hunden mit glühenden Augen bewacht werden. In diese Schatzkammern führt die Jungfrau aus dem See ihre Krlöscr und dort erleben diese mancherlei Überraschungen, die sie schliesslich zu Sehf'ockens- rufen veranlassen. So schlingt die Sage ihre wunderbarenZaubcrfliden um Baum und Stein, um Heide und Burg rings um den See, und wer das Raunen der Quellen und das Kauschen der Wipfel zu deuten versteht, der vermag herrliche Kunde zu vernehmen.
FJnc kurze Dampferfahrt, die neue Ausblicke und Schönheiten enthüllte, brachte die Teilnehmer der Wanderfahrt nach dem Restaurant Zabel an der Nordspitze des Sees zurück Zu dem geplanten Besuch des Askanier- turms und des Jagdschlosses Hubertusstock reichte leider die Zeit nicht mehr aus, und man musste sich mit einem Besuch der «lern Zimmermeister Müller gehörigen Besitzung Flsenau und von „Brunolds Blick“ auf dem nördlichen Abhänge begnügen. Hier hat der Dichter Brunold stundenlang geweilt, im Anscluiuen des herrlichen Bildes, der weiten Fläche des Sees mit ihrer verschiedenfarbig grünen Umrahmung versunken, hier hat er seine schönsten Lieder gesungen, die das Leid über schwere Verluste ihm auspresste, die der freudige Stolz über die Schönheit der Natur ihn hinausjubeln Hess in die märkische Landschaft. Der Ausblick ist hier wohl der schönste, den man am ganzen See hat, wenn sich überhaupt von einem „schönsten“ Ausblicke in dieser landschaftlich bevorzugten Gegend sprechen lässt. Über die weite Fläche des Sees bis nach Altenhof hinüber schweift der Blick, und die bewaldeten Anhöhen umrahmen das im Lichte der Abendsonne blitzende Juwel und strecken ihre Wipfel schützend rings herum, dass kein Unberufener die Stätte störe, wo Markgraf Otto mit dem Pfeile seine süssesten Minnelieder sang.
Durch die waldigen Schluchten der Mörderberge wurde der Rückweg nach Joachimsthal angetreten, von wo aus die Heimfahrt nach Berlin erfolgte.
Für die Redaktion: Dr. Eduard Zache, Cüstriner Platz f). — Die Einsender haben den sachüchen Inhalt ihrer Mitteilungen zu vertreten.
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