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18. (7. ordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahre».
liehen Finnen und Lappen sind dunkel, während die Südfinnen blond sind. Auch bei den Slaven in Hinterpommern und Nordposen überwiegen die Blonden. Danach scheint der rein physische Standpunkt eine Klassifizierung der Slaven und deren Abgrenzung nicht möglich zu machen, denn die Untersuchung der Schädel führt zu einem ähnlichen negativen Resultat. Virchow fasste seine Darlegungen dahin zusammen, dass es kein einziges Merkmal gebe, auch nicht zwei, die ausreichend wären, um mit Bestimmtheit zu sagen, seit dieser Zeit sind die Slaven in diesen bestimmten Grenzen in Deutschland. Man muss vielmehr erst die Chronologie feststellen und dann die Stämme begrenzen. Die Untersuchung ergiebt, dass eine Aufeinanderfolge von Einwanderungen anzunehmen ist. Von Cettinje bis nach Moskau sitzen die Slaven aber in zum Teil parallel, zum Teil fächerartig angeordneten Zonen. An einzelnen Stellen nun sind diese Zonen durchbrochen werden, wie im hannoverischen Wendland, wo noch jetzt slavische Dörfer zwischen germanischen Distrikten Vorkommen. Die Slaven sind vom Osten über die Elbe gekommen und haben — Zeugnis dafür sind die Gräberfelder bei Naumburg — längs der Saale bei Halle einen Vorstoss bis an den Harz hin gemacht. Auch vom Fichtelgebirge sind sie in den Maingau und nach Mittelfranken und in zerstreuten Zügen nach Schwaben vorgedrungen. Noch heute ist die Verschiedenheit der Dorfanlagen beider Stämme deutlich erkennbar. Dagegen hat Virchow bisher nicht erkannt, was ein slavischer oder was ein germanischer Schädel ist. Es scheint zu einer Zeit schon eine Vermischung beider Stämme eingetreten zu sein, für die wir sonst keinen Anhalt besitzen. In der sich anschliessenden sehr lebhaften Diskussion legte Professor Montelins (Stockholm) seine Ansicht nochmals dahin fest: bis zum Jahre 300 n. Chr. finden wir aus den Resten eine übereinstimmende Kultur in Skandinavien und in Norddeutschland, und daher muss bis zu diesem Zeitpunkt in beiden Gebieten dasselbe, d. h. ein nordgermanisches Volk gelebt haben. Nach dieser Zeit ist das Land nicht, wie Virchow annehme, leer gewesen, vielmehr seien die Slaven allmählich dahin eingewandert. — Also auch auf diesem gelehrten Kongress wieder der alte, leidige Streit, ob die Germanen in den Ländern, welche später von den Wenden besiedelt wurden, gänzlich, sozusagen mit Kind und Kegel, ausgewandert seien, so dass die allmählich vordringenden Slaven ein völlig menschenleeres Land vorfanden.
Ich habe mich wiederholt gegen diese Annahme aussprechen müssen. Die Geschichte kennt kein Beispiel, dass grosse Völkermassen der Art, dass überhaupt kein Rückstand daheim bleibt, ansgewandert sind. Es wäre das gänzlich gegen die gesichei’ten Erfahrungen der Völkerpsychologie. Fast überall werden einzelne germanische Familien nnd Sippschaften, die besondere Anhänglichkeit am altväterlichen Grund