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(1900) 9
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16. (7. ordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.

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und Boden, d. li. echtes Heimatgefühl besassen, ferner auch ältere und schwächere Personen mit ihrem Anhang, die nicht die Lust und die Fähigkeit zu weiten, meist kriegerischen Wanderzügen hatten, zurück­geblieben sein. Diese Elemente sind alsdann allerdings slavisiert worden, aber nur oberflächlich, wie die gründliche und schnelle Regermanisierung seit 900 n. Chr. sattsam lehrt. Für das Fortleben germanischer Stammes­teile auf den von den Wenden besetzten Gebieten sprechen ferner auch die daselbst erhaltenen, genau geographisch abgegrenzten deutschen Dialekte, wie Wilhelm Schwartz überzeugend dargethan hat. Ebenso die durch die Slavenperiode bis zur christlichen Verdeutschung des Wendlands erhaltenen Ortsnamen und die teilweise ebenfalls nach Gau­grenzen gesonderten germanischen Sagen, Märchen, Sitten und Gebräuche.

Der Streit ist auch recht überflüssig, denn schliesslich machen auch die Gegner nach den bezeichneten Richtungen, namentlich wenn man mit den Herren mündlich verhandelt, nicht unerhebliche Zu­geständnisse. Es gilt schliesslich mehr einen Streit um das Quantum des erhalten gebliebenen nrgermanischen Residuums; man nehme mirs nicht übel: mit andern Worten, es handelt sich hier mehr um Recht­haberei oder um den bekannten Streit um des Kaisers Bart.

6. Ein Werk über die Rechtsprechung des Branden­burg! sehen Schöffenstuhls ist in erfreulich nahe Aussicht gestellt.

Der Präsident der Justizprüfungs-Kommission, Wirkliche Geheime Rat Dr. Stölzel, hat gelegentlich der Bearbeitung einer Schrift über Brandenburg-Preussische Rechtsverwaltung Ende der 1880er Jahre in Erfahrung gebracht, dass das Amtsgericht und der Magistrat zu Branden­burg a. H. gemeinsam in 108 Folio-Bänden Akten mit etwa 15 000 Sprüchen des ehemaligen dortigen Schöffenstuhls, einst des ältesten Hauptgerichtes der Mark, aus der Zeit von 1432 bis 1806 besitzen.

ln diesen Akten ist ein überaus reiches Material für die märkische Spezialgeschichte, namentlich für eine Geschichte des genannten Schöffen­stuhls und überhaupt der deutschen Rechtsprechung enthalten, in einer Vollständigkeit, wie sie sich kaum irgendwo sonst in Preussen finden lassen dürfte. Der Obengenannte hat darum schon vor Jahren den Entschluss gefasst, sich der Bearbeitung dieses Materials zu widmen. Der Justizminister im Verein mit dem Minister der geistlichen etc. An­gelegenheiten und der Minister des Innern haben dem Unternehmen dadurch eine wesentliche Förderung zu Teil werden lassen, dass die märkischen Stadtmagistrate und die beteiligten Staatsarchive veranlasst worden sind, thunlichst hilfreiche Hand zu leisten.

Die Durchsicht und Excerpieruug der 108 Folianten naht jetzt ihrem Ende. Während dieser Durchsicht hat sich der Plan der in Aussicht zu nehmenden Veröffentlichung vorläufig dahin gestaltet, den überreichen Stoff in einer auf zwei starke Bände berechneten Geschichte