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(1900) 9
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16. (7. ordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.

Begründung des preussischen Königtums. Auch er selbst, obwohl er fast ununterbrochen seine Heere auf dem Schlachtfelde wusste, hat offen­bar nicht anders empfunden. Die Erwerbung des preussischen Krönungs­titels ist der Inhalt einer Reihenfolge kunstvoller Bildteppiche, hervor­gegangen aus der von Friedrich selbst ins Leben gerufenen Gobelin­weberei. Genau so tritt in den Kupferstichserien, welche dem Leben des ersten Herrschers gewidmet sind, alles übrige hinter der Königs­krönung zurück.

Vielfach sind Sie, hochverehrte Damen und Herren, in den eben verflossenen Jubiläumstagen an jenes denkwürdige Ereignis, das uns mehr als eine blosse Rangerhöhung bedeutet, durch Wort und Bild erinnert worden. Um so mehr darf es daher heute vergönnt sein, zu verweilen bpi den grossen Schöpfungen jener ersten Königstage auf künstlerischem und wissenschaftlichem Gebiete, bei den geist- und kraft­vollen Männern, deren Name dauernd verknüpft ist mit dem königlichen Preussen in seinen ersten Anfängen und deren Werke wir zum Teil noch heute mit Ehrfurcht betrachten. Was könnte uns auch am heutigen Tage näher liegen, als die Erinnerung an jenen glänzenden frideri- cianischen Hof, an welchem kein Werk der Wissenschaft und der Kunst ins Leben trat ohne die persönliche Mitwirkung und den Anteil Friedrichs und der Sophie Charlotte.

Einen bleibenden Wert gewann an erster Stelle der persönliche Anteil des Königs an der Entwicklung der drei preussischen Landes- Hochschulen. Als die älteste derselben, einst die Hochburg der Scho­lastik im Kampfe gegen den aufgehenden Humanismus, die Vorläuferin Berlins, Frankfurt a. O., die Feier ihres 2(K(jährigen Bestehens festlich beging, kam als ihr erster Gratulant mit reichlicher Spende ihr aller­gnädigster König. Keiner anderen noch so erlauchten Körperschaft gestattete ebenderselbe in Königsberg den Vortritt, als den Lehrern der dortigen Albertina, welche mit ihren schwarzen, violetten, scharlachroten und braunen Kostümen den Krönungszag in malerischer Weise eröffneten. Nicht mehr wollte Friedrich die studierende Jugend seiner sächsischen Landesteile nach Leipzig, Wittenberg und Jena ziehen lassen: einen neuen Musensitz schuf er ihnen da, wo bald ein Thomasius, ein August Hermann Francke Hunderte begeisterter Zuhörer um sich sammelten: in Halle a. S.

Noch in frischer Erinnerung leben uns die Jubelfeiern der preussischen Akademieen: vor vier Jahren derjenigen der Künste, ganz vor kurzem der der Wissenschaften. Die Studienreisen der Berliner Maler und Bildner, welche der König nach Italien entsandte und welche von dort die Gipsabgüsse der damals am höchsten bewunderten Antiken, des Laokoou, des Reiterbildes von Marc Aurel, der knidischen Venus, in die vaterländischen Kunststätten heimbrachten, haben auf lange hin