Heft 
(1900) 9
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17. (8. ordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.

Dadurch dass zahlreiche Laubbäume oder Nadelbäumc zu einem Walde vereinigt sind, werden für diese Bäume selbst und für die zahl­reichen im Walde wachsenden Bilanzen besondere Lebensbedingungen geschaffen, durch die sie in gewissem Grade von einander abhängen. Man bezeichnet dieses Verhältnis der gegenseitigen Abhängigkeit als Lebensgemeinschaft. Wir haben bei uns sowohl in den Nadelwäldern wie auch in den Laubwäldern vorzügliche Beispiele solcher Lebens­gemeinschaften.

Leicht erkennt mau, dass die Tiere des Waldes einen bedeutsamen und für das Verständnis der Gesamtheit der Erscheinungen unentbehr­lichen Bestandteil dieser Lebensgemeinschaften bilden. Indem nämlich die im W r alde leitenden Tiere einerseits ihre Nahrung, ihre Wohnung und ihre gesamten Lebensbedürfnisse durch den Wald erhalten, be­einflussen sie doch auch andererseits durch ihre Thätigkeit die Pflanzen­welt in der mannigfachsten Weise und es ist eine anziehende Aufgabe, diese Wechselbeziehungen zwischen der Pflanzenwelt und der Tierwelt für einige specielle Fälle ins Auge zu fassen.

Naturgemäss muss die Wirksamkeit der Tiere auf den Wald umso stärker sein, je allgemeiner verbreitet und je häutiger sie sind, und ich werde mich daher auf die Besprechung einiger der allerverbreitetsten und häutigsten Tierarten als der für den Wald wichtigsten be­schränken können.

Ein solches durch die Allgemeinheit seiner Verbreitung und die Häutigkeit des Vorkommens ausgezeichnetes Tiergeschlecht sind die Spechte. Von den Arten, die wir hier beobachten können, sind der grosse Buntspecht und der Grünspecht am häutigsten, doch findet sich auch der Schwarzspecht, der mittlere und der kleine Buntspecht und der Grauspecht; selten der Weissspecht.

Der Specht sorgt selbst dafür, dass man ihn nicht übersieht. Weithin durch Wald und Flur schallt sein lautes Geschrei; es klingt wie ein ausgelassenes fröhliches Gelächter; niemand kann durch den Wald gehen, ohne auf den lustigen Gesellen aufmerksam zu werden. Wer hätte ihm nicht schon zugesehen, wie er mit kräftigen Schnabel­hieben die Baumrinde zersplittert, um Borkenkäfer und andere Tnsekten und ihre Larven herauszuholen. Wer hätte nicht schon der lebhaften Trommelmusik zugehört, durch welche im Frühjahr der verliebte Specht sein Weibchen lockt und seine Nebenbuhler zum Kampfe herausfordert. Am interessantesten aber ist der Vogel dann, wenn er sein Nest zimmert.

Er sucht sich einen dafür geeigneten Baum, d. h. einen, der kern­faul ist. Mit seinem Schnabel, der zugleich Hammer und Meissei ist, zerspaltet er die Kinde und das äussere gesunde Holz und hackt ein langes, schmales Loch, so tief, dass er auf das morsche Holz im Innern