17. (8. ordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.
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dieses noch in viel höherem Masse beim Maulwurf der Fall. Und das ist begreiflich genug. Leben doch der Specht und das Eichhörnchen frei und vor jedermanns Augen. Den Maulwurf dagegen, den unterirdisch lebenden Einsiedler, bekommt man nur selten zu sehen. Daher haben sich über ihn gar mancherlei falsche Meinungen bilden und erhalten können.
Wer so im Verborgenen lebt, muss ein Bösewicht sein, so meint man wohl, und sagt bis auf den heutigen Tag dem Maulwurf allerlei Böses nach. Er soll von Wurzeln und anderen unterirdischen Pflanzenteilen leben, so hört man. Schon vor hundert Jahren gab sich Hebel in seinem Schatzkästlein Mühe, den Maulwurf gegen solche falschen Beschuldigungen zu verteidigen. Und es ist in der That leicht genug, diese Meinung, dass der Maulwurf ein Pflanzenfresser sei, zu widerlegen. Die zahlreichen Schneidezähne, die langen spitzen Eckzähne und die spitzhöckerigen Backzähne zeigen, dass der Maulwurf ein Insektenfresser und kein Pflanzenfresser ist. Niemals flndet man im Magen des Maulwurfs Reste von Pflanzenstoffen, sondern nur von Regenwürmern, Engerlingen und anderen unterirdisch lebenden Tieren. Versuche mit lebenden Maulwürfen zeigen, dass sie Pflanzenstoffe aller Art verschmähen, dass sie dagegen Fleisch von Tieren aller Art verzehren und dass sie ganz enorme Mengen von Nahrung nötig haben.
Trotzdem Hebel in seinem Schatzkästlein, einem der verbreitetsten Bücher von allen in der deutschen Litteratur, ausführlich dargelegt hat, dass der Maulwurf durchaus unschädlich, ja sogar sehr nützlich sei, und trotzdem eine jede Nachprüfung die vollkommene Richtigkeit der Hebelschen Darstellung erweist, so hält sich doch das alte Vorurteil gegen den Maulwurf. Überall von Schlesien bis zur Nordsee und von Ostpreussen bis zum Schwäbischen Meer wird dem armen Tiere aufs grausamste nachgestellt. Man sieht: „Les erreurs ont la vie dure“, nicht nur in Frankreich, sondern auch diesseits der Vogesen.
Versuche mit gefangenen Maulwürfen zeigen, dass er täglich eine Futterration an Engerlingen und Regenwürmern verzehrt, die sein eigenes Gewicht bedeutend übersteigt. Um sich die Erlangung dieser grossen Menge von Nahrung zu sichern, legt der Maulwurf einen so weitläufigen und kunstvollen Bau an, wie ihn kein anderes Tier überhaupt fertig bekommt.
Seine Wohnung besteht in ihrer vollkommensten Form aus einer Höhle, zwei verschieden grossen kreisförmigen Gängen und einem System von zahlreichen, aufwärts und abwärts führenden Röhren, sowie der horizontalen Laufröhre, an die sich dann die eigentlichen Jagdgänge anschliessen.
Die Höhle liegt in einer Tiefe von etwa £ m unter der Erdoberfläche. Sie hat die Gestalt einer Kugel, misst reichlich 12 cm im Durch-