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15. (7. ausserordl.) Versammlung des 3. Vereinsjahres
Sonnabend, den 16. Februar 1895, mittags 12 ’/a Uhr,
Besichtigung der Städtischen Webe-Schule.
I n dem gewerblichen Schulwesen Berlins nimmt die Städtische Webe-Schule, Markusstrasse 46, einen hervorragenden Platz ein; ihr galt der Besuch, der die Mitglieder der Brandenburgia am genannten Tage in den Bibliothekssaal der Anstalt führte, von wo sie unter Führung der Herren Obermeister Schmidt, Assistent Büchner, Lehrer Fleimming und eines Mitgliedes die vier übereinander gelegenen grossen Maschinensäle mit ihren im Betriebe befindlichen Maschinen besichtigten, nachdem der 2. Vorsitzende, Herr Geh. Reg.-Rat Friedel auf die reiche Geschichte der heimischen Webeindustrie hingewiesen hatte.
Es fehlt nicht an Urkunden, welche für das älteste Berlin dies Gewerk der Tuchmacher bezeugen; doch dürften sich deren Erzeugnisse wohl kaum weit über die Mark hinaus gewagt haben, wo sie mit anderen hochberühmten Industriestädten in Wettbewerbung traten. Erst unter Friedrich Wilhelm I., der wie auch in anderen Zweigen des gewerblichen Lebens hier Schöpfer wurde, entwickelte sich in Berlin eine umfangreichere Industrie. Er berief in den ersten Jahren seiner Regierung erfahrene Weber aus Italien, Frankreich und Spanien in seine Hauptstadt, mit deren Hülfe der damalige geheime Rat von Kraut, der spätere Etatsminister, eine Wollmanufaktur in dem alten Lagerhause errichtete, welche sich im Laufe der Jahre sehr entwickelte. Schon 1716 lieferte sie die gesamten Monturen für die preussische Armee. Alle Arten von Gespinsten wurden später daselbst hergestellt und ihr ein Monopol für ganz Preussen verliehen. 1728 war das Potsdamer Waisenhaus Besitzer der Manufaktur, von dem sie 1764 der Geh. Commerzienrat Schmids, ein bekannter, aus dem Aachener Industriebezirk stammender Industrieller, erwarb, um sie auf eigene Rechnung fortzusetzen. Berliner Gespinste wurden damals nach allen Himmelsrichtungen versandt, sie bildeten ein Haupterzeugnis der Stadt, und bereits 1777, als Berlin ca. 110 000 Einwohner zählte, war ein jährlicher Umsatz von ca. 1200 000 Thlrn. zu verzeichnen, ein Umsatz, der auch nach unserer heutigen veränderten
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