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Hi. (7. öffentliche) Versammlung des 3. Vereinsjahres.
zu Ende gehenden französischen Königthums. Eine Nonne und Cocotte, als die Repräsentanten der damaligen Pfaffen- und Maitressenwirthschaft, reiten auf einer Arbeiterfrau, dem Volke, indessen ein Lamm, als Zeichen der „Geduld“, den Weg zeigt und hinten Ludwig XVI. die Gruppe mit einem Stocke antreibt. Das Lamm ruft „patience“ und die beiden Reiterinnen "nous montons bien“, das Volk aber antwortet: ,,A. faut. esperer que se jeu la finira bientot — mais pour une triste fin“*) und der das Bild abschliessende Bauernhut mit Gewehren und Säbeln verdeutlicht uns noch das prophezeite traurige Ende. Das Ganze ist leicht verständlich, es kündigt die Revolution, die Abschaffung des Königtums an, und lässt also den Druck mit Sicherheit in die allererste Zeit der neuen Periode, ungefähr 1702 datieren. Es harmoniert in Schrift und Darstellung mit den für diese Zeit charakteristischen faiences patriotiques, die in ähnlicher Form zur politischen Situation bildlichen Commentar liefern. Der Druck ist schwarz, rot und violett, ausserdem sind gelb und blau eingemalt. Das Muster repetiert sich rings um den Rand und zwar derart, dass es abwechselnd links- und rechtsseitig mit dünnflüssiger Farbe so intensiv aufgedruckt ist, dass die Zeichnung beidseitig sichtbar wird.“
Forrer erwähnt dann das Spotttuch auf Napoleon: Stage of Europe Decr. 1812. Das dem Märk. Museum gehörige Exemplar habe ich vorgezeigt, ein zweites nicht ganz vollständiges Exemplar hat das Museum dem Körner-Museum in Dresden vor einigen Wochen verehrt
Sodann fährt Forrer fort: „Das Taschentuch Fig. 4 Taf. XLVII dagegen ist schweizerischer Provenienz und doppelt interessant, weil Besteller und Autor bekannt sind. Die Grundfarbe des Tuches ist im Entwurf gelb, im Original rot gedacht, als Aufdruckfarben kamen grün, grau, schwarz und rot resp. gelb zur Anwendung. Das Tuch soll den Sieg der Russen über die Franzosen, den Abzug der letzteren aus Moskau im Jahre 1812 verherrlichen. Es zeigt im Vordergrund Kosaken, welche die abziehende französische Armee verfolgen; im Hintergründe der waldigen und schneebedeckten Gegend sieht man die Türme des brennenden Moskau. Das „Kunstwerk“ wurde auf Bestellung des Kaisers Alexander von Russland ausgeführt und zeigt in der Mitte dessen Portrait mit der Inschrift : „Alexander Maximus- Befreyer nnd Beglücker Europas I“ Die Ecken zieren, umgeben von Lorbeerzweigen etc. die Initialen der drei Verbündeten Franz-Wilhelm-Alexander, und dem Rande entlang stehen in ovalen Schilden historische Daten und auf diese bezügliche Sinnsprüche, „Befreyung von Moskau 1812. — Russen Muth und Tapferkeit. — Der dreifache Fürstenbund. — Fälligkeit giebt Kraft. — Sieg der hohen Allierten — Schlacht bei Kulm. — Schlacht bei Leibzig. — Schlacht bey Tere-champo**). — Schlacht bey Montmartre. — Alexanders Einzug in Paris den I. April 1814. — Alexanders Grossmuth. — Güte erwirbt Liebe. — Napoleon des Thrones entsetzt den 2. April 1814. — Hochmuth bringt Fahl. — Proclamirung Ludwig des 18 den 6t. April 1814. — Friedensschluss von Paris den 30. May 1814.“ — Zeichner dieser interessanten Komposition, Modellstecher und Drucker in einer Person war Eduard Reyhner in Obermeilen am Zürichsee, ein vielgereister, mit hervorragenden Männern bekannter und, nach seiner zurückgelassenen Bibliothek zu schliessen, vorzüglich gebildeter Färber und Zeugdrucker, dessen Specia- lität der Seidendruck war. Das für Kaiser Alexander bestimmte Bild wurde auf roter Seide abgedruckt, der Nachricht meines Grossvaters zufolge, dessen Vater eben jener Seidendrucker Reyhner war, in zwölf Exemplaren, wofür als Dank des kaiserlichen Bestellers dem Autoren durch den Stadtrat der Stadt Zürich eine mit Dukaten
*) 11 faut espérer que ce jeu là finira bientot — mais pour une triste fin.
**) Soll heissen: Die Schlacht bei la Fère-Champenoise 25. März 1814, welche die Einnahme von Paris vorbereitete.