Heft 
(1896) 4
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Kine verschollene Getreideart.

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Eine verschollene Getreideart.

Von Paul Ascherson. * )

Auf sandigem, nicht zu trockenem Gartenlande der Mark Branden­burg, seltener ausserhalb der Ortschaften, auf Äckern oder an Weg­rändern, findet sich im Spätsommer eine unscheinbare Grasart, die von Altvater Linné den lateinischen Namen P anicum sanguinale erhalten hat. Die niederliegenden, verzweigten Halme sind mit für diese Familie verhältnismässig breiten und kurzen Blättern besetzt, die besonders an ihren Scheiden in der Regel eine ziemlich dichte Bekleidung mit langen abstehenden Haaren zeigen. Besonders charakteristisch aber sind die 46 langen, dünnen, fingerartig annähernd, aus einem Punkte aus- straldenden, zuletzt violett überlaufenen Blütenstände, weswegen die Gruppe der etwa 700 bekannten Arten dieser grossen Gattung, der unsere Pflanze angehört, auch den Namen Digitaria erhalten hat. Die paarweise genäherten Ährchen sind ziemlich klein (cr. 3 mm lang und 1 mm breit), auf der einen Seite flach, mit einer meist violett gefärbten 7 nervigen papierartigen Spelze bedeckt, auf der anderen gewölbt, unten eine ähnliche, aber viel kleinere Spelze, darüber aber die graue, glatte, knorpelige Deckspelze zeigend. Oie längliche, etwa 2 mm lange, weisslich- glasige, mit gelblicher Farbe opalisierend durchscheinende Frucht, welche eine grosse 1/3 bis 1/2mal so lauge Keimgrube zeigt, ist fest von den Spelzen umschlossen.

Ich bewahre in meinem Herbarium Exemplare, die ich am 15. August 1854 in einem Garten des Innern von Berlin, Rosengasse (jetzt Markusstrasse) No. 4546, der allerdings längst der Durchlegung der Wallner-Theater-, Iffland- und Raupach-Strasse zum Opfer gefallen ist, gesammelt habe, ebenso solche vom Kreuzberge und von Sandwegen in der Hasenhaide und zweifle nicht, dass dies Gras auch heut noch in der Nähe der Reichshauptstadt, bez. innerhalb derselben zu finden ist. Dasselbe befindet sich bei uns nahe seiner Polargrenze, da es schon in Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Pommern und Westpreussen ziemlich selten und zum Teil unbeständig vorkommt und in Ostpreussen ganz fehlt. Nach Dänemark und Schweden wurde es erst neuerdings eingeschleppt. Dagegen wird es nach Süden immer häufiger, und ist

*) Vortrag, gehalten in der Versammlung der Gesellschaft am 27. Februar 1895. Da die wertvollen Zusätze, welche Herr Geheimrat Friedel zu diesem Vortrage gemacht hat, bereits in der letzten Nummer des vorhergehenden Jahrgangs III, S. 315318 abgedruckt sind, wird in Folgendem unter Anführung der Band- und Seitenzahl darauf verwiesen.