Heft 
(1896) 4
Seite
40
Einzelbild herunterladen

40

Eine verschollene Getreideart.

Andropogon wenigstens die Ähren zeigen, dürfte mit der damals geltenden Leine von der Signatum rerum, nach der z. R. das durch seinen gelben Milchsaft auffällige Schöllkraut (Chelidonium majus) gegen Krankheiten der Gallenorgane Anwendung fand, vielleicht zu der Identifikation dieser Gräser mit lschaemom beigetragen haben. Taber- naemontanus giebt diesen Namen mit Blutgras wieder, welcher indess wie der später auch und vorzugsweise für P. s anguinale, allgemein gebräuchliche Büchername Bluthirse wohl nie volkstümlich geworden sein dürfte.

Weit weniger bekannt aber, selbst in den Kreisen der Botaniker und landwirtschaftlichen Fachmänner, und weit interessanter als die bisher erwähnten Thatsachen ist es, dass dies jetzt bei uns unbeachtete Gras in früheren Zeiten in einem beträchtlichen Teile Europas wegen seiner mehlreichen Körner, also als Getreide, angebaut wurde und auch heut noch gebaut wird, obwohl das Gebiet seiner Kultur in den drei Jahrhunderten, seitdem die ersten Nachrichten über dieselbe veröffentlicht wurden, wohl in einem noch höheren Grade als das des jetzt im deutschen Reiche auf einen Teil Bayerns, Württenbergs, Badens und die Rhein­provinz (Eifel) beschränkten Spelzes oder Dinkels,t 1) eingeschränk

1) Von dieser in der Provinz als Feldfrucht nirgends gebauten Getreideart stammen die grünen Körner, wie ich sie vor einem halben Jahrhundert im Hause meiner Eltern nennen hörte, oder wie sie an ihrer Ursprungsstätte heissen, der Grün­kern. Über die Herstellung dieses Präparats teilt mir Prof. Körnicke folgende, schon vor 70 Jahren in dem bekannten Werke von Metzger über die europäischen Cerealien, 1824, S. 20 veröffentlichte Angabe mit., Verf. sagt beim weissen Spelz, Triticum xpella album Alef.Der grüne Kern zu Suppen, welcher im Neckarthal gemacht und aus­geführt wird, ist ebenfalls von dem weissen Spelz auf folgende Weise bereitet: In der Zeit, wenn die Körner anfangen, ihre milchige Beschaffenheit zu verlieren und härter oder mehliger werden; d. h. wenn das Eiweiss sich auszubilden anfängt, werden die grünen Ähren abgeschnitten, in Backöfen gebracht, gedörret, und wenn sie gehörig trocken geworden sind, gedroschen, gesiebt und wie der reife Spelz zum Schälen zur Mühle gebracht. In seiner landwirtschaftlichen Pflanzenkunde 1841, S, 111 giebt er speziell die Gegend von Mosbach am Neckar (Baden) an, wo der sogenannte Grünen­kern auf obige Weise hergestellt wird. Auch jetzt noch kommt der neuerdings wieder durch seine Verwendung zu den Knorrschen Suppen bekannter gewordene und im Handel häutiger vorkommende Grünkem aus dortiger Gegend. Herr Geheimrat Friedel hatte die Güte mir Proben von Grünkern und davon bereitetem Mehl mit­zuteilen, die er im vorigen Jahre aus der Konservenfabrik von C. H. K norr in Heilbronn entnommen hatte. Vgl. Friedel Bd. III, S. 318. Wenn ich in meiner Flora der Provinz Brandenburg (I. S. 860) angegeben habe, dass der Spelz zu diesem Zweck bei uns in Gärten gebaut werde, so kann ich diese auf unsicherer Tradition beruhende Behauptung nicht aufrecht erhalten, muss vielmehr annehmen, dass sie auch vor 30 Jahren nicht zutreffend war. Wenn also der käufliche Grünkem sicher aus dem Schwabenlande stammt, wo der Spelz ja auch heut in weitem Umfange als Brot frucht gebaut wird, so mögen wohl hie und da, wie Fräulein Frey t ag in der Sitzung am 27. Februar bemerkte, auf dem Lande in Norddeutschland unreife Hafer­oder Weizenkörner in ähnlicher Weise verwendet werden.