Heft 
(1896) 4
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Eine verschollene Getreideart.

Geheimrat Jul. ) Kühn in Halle und Prof. Friedr. Körnicke in Bonn, 1 die Aufmerksamkeit gelenkt wurde, etwas näher eingehn.

Unzweifelhaft fand der Anbau der Bluthirse in den östlichen Ländern Deutschlands und in Österreich-Ungarn schon im Mittelalter statt. Die botanischen Schriftsteller des 16. Jahrhunderts sind über diese Kultur­pflanze besser unterrichtet als die Mehrzahl der heutigen. Ihre Angaben sind sämtlich auf die des oben genannten Matthiolus zurückzuführen, welcher im Jahre 1561e 2) darüber die ersten Nachrichten gab, welch etwas verändert, aber mit einer kenntlichen Abbildung unserer Pflanze als Gramen Mannae, Himmelthau, veranschaulicht, in dem 1563 in Prag durch Handsch veröffentlichtenNew Kreuterbuch und in der 1565 in Venedig bei Valgrisi erschienenen Ausgabe der Commentarii in Dios- coridem wiederkehren. Nach diesen Mitteilungen wurde die Pflanze in Böhmen, bei Görz und in Krain; 3) wie die übrigen Getreidearten angebaut sie wachse zwar in diesen Ländern auch häufig wild, doch werde sie wegen des angenehmeren Geschmacks der Kulturpflanze angebaut. Die Frucht werde Manna genannt und habe enthülst eine weisse Farbe wie der Reis, dem M. sie, mit fetter Fleischbrühe eingekocht (also nach Art des Bouillonreises zubereitet) an Wohlgeschmack vorziehen möchte.

Luther verwendet das Wort auch Josua 6, 11. Wenn er zu diesem Verse die Randbemerkung machte sange:versengete ehren, tostas spicas, so geht aus dieser nicht durchweg richtigen Deutung nur hervor, dass er glaubte, das Wort gehöre mit dem Zeitwort sengen, versengen zusammen.

Sollte in dem in der Berliner Volkssprache unter zahlreichen anderen fflr Prügel gebräuchliche AusdruckSenge nicht das sonst verschollene Wort fortleben? Wie man von einertüchtigen Tracht [Traglast) Prügel spricht, so könnte etwas zarter mitSenge ein Büschel oder Bouquet von Schlägen angedeutet sein. Zwischen Prügeln und Sengen (d. h. Brennen) finde ich wenigstens nur die Beziehung, dass Beides weh thut.

1) Diesem meinen Studiengenossen bin ich auch hier, wie schon in manchen früheren Fällen für die selbstlose Überlassung seiner inhaltreichen Aufzeichnungen zu herzlichstem Danke verpflichtet.

2) Epistolarum medicinalium libri quinque, wieder abgedruckt in Opera omnia ed. C. Bauhin 1598, Append. p. 124 (Brief an Hieronymus Herold in Nürnberg, d d. Prag 20. April 1559). Seritur haee planta in Camiola et in Goritiensi agro passim ad ciborum usum veluti cetera Cerealia, ideoque illis frequentissiino est usui, quemadmodum Bohemis, apud quos ego hoc semine pingui carnium iure incocto maxime sum delectatus in cibis. Nascitur sponte ibi plurimis locis incultis. Sed quoniam culta longe mitior redditur, ea propter eandem colunt in campis.

3 ) Schräder (Flora German. I |1806| p. 163 führt angeblich auf die Autorität des Matthiolus auch Kärnten als Kulturgebiet der Bluthirse an. Lobel (stirp. hist. [1576) Advers. p. 5) bezeichnet die Anbauer derselben alsGermani Alpini, Conr. Gesner, welcher in seinem Buche de hortis Germaniae 1561, also in demselben Jahre, in dem die Epistolae des Matthiolus erschienen (fol 261), jedenfalls nach brieflichen Mitteilungen desselben, übereinstimmende Angaben über die von ihm Granen album seu hirsutum genannte Getreideart macht, nennt sie zutreffender Sclavi Carnioliae incolae.