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Eine verschollene Getreideart.
70 Jahren eine Art „ährenartiger“ Hirse kultiviert worden, die jetzt dort völlig unbekannt sei. Der mitgeteilte wendische Name „Bor" aber macht es wahrscheinlich, dass dies eine andere „verschollene“, neuerdings aber unter den ungarischen Namen Mohar wieder aufgetauchte Getreideart, die nach Körnicke (a. a. O.) noch hie und da in der Rheinprovinz, z. B. bei Düsseldorf kultivierte Kolbenhirse 1) (Panicum italicum ) gewesen ist. Bronisch in seinen „Grundzügen der deutschen Mundart, welche inmitten der serbischen Bevölkerung und Sprache in der Niederlausitz und nördlichen Oberlausitz gesprochen wird“ (Neues Lausitzisches Magazin XXXIX (1862) S. 108—195) giebt Berr (ber) mit „Moorhirse, Fuchsschwanz“ wieder, was auf die Kolbenhirse gut passt. Bèr ist auch der böhmische Name, den Celakovsky (Prodr. kvet. ceske S. 32) für die Gruppe Setaria, zu der P. italicum gehört, anführt. „Fuchsschwanz“ findet sich schon bei Cordus und Tabernaemontanus als Synonym der Kolbenhirse. Die slawischen Namen der Bluthirse lauten, wie wir bald sehen werden, ganz anders.
Auch im wendischen Sprachgebiet der sächsischen Lausitz wird P. sang, nicht gebaut. Der emeritierte Lehrer Rostock in Gaussig bei Bautzen, den ich persönlich als tüchtigen Pflanzenkenner und eifrigen Vorkämpfer für seine Muttersprache (er bewahrt das druckfertige Manuskript einer Lausitzer Flora in wendischer Sprache) kennen lernte, erwähnt es in seinem 1889 in den Sitzungsberichten der Gesellschaft Isis in Dresden veröffentlichten Verzeichnisse der Bautzener Flora S. 5 nur als wildwachsend.
Zwei Jahre nach dem Erscheinen des Körnicke-Wernerschen Buches veröffentlichte der jetzige Direktor des Botanischen Gartens in St. Petersburg, Wirkliche Staatsrat A. v. Batalin in russischer
1) Nach einer von Freund Bolle in der Sitzung am 27. Febr. gemachten Bemerkung sind neuerdings in Berlin ganze Rispen der Kolbenhirse (unter dem Namen „V ogelh irse“) als Vogelfutter beliebt geworden. Über früheren Anbau dieser Frucht in der Mark Brandenburg heisst es in dem oben mehrfach erwähnten Bekmannschen Werke (Sp. 677): „Fuchsschwanz, insgemein auch Fossstör oder Vossstörz wird zwar wegen seiner farbe und zierlichen gestalt in Gärten zum zierat gebraucht: wie es aber in der that eine ahrt von Hirse, die etwas klein, aber doch von an- genemen geschmak ist, und sehr reichlich zuträget, weil sie nicht, wie andere Hirse, den vögeln zum raube wird; also wird sie auch an einigen orten, als bei Saarmund, bei Rampitz Sonnenb. Insp., bei Brüssow Prenzl. Insp. wie andere Hirse gesäet und gewonnen.“ Diese Stelle steht zwar in einem längeren durch Parenthesen als späterer Zusatz gekennzeichneten Abschnitt; trotzdem möchte ich sie, da in dieser Bezeichnung häufig Ungenauigkeiten Vorkommen, für den älteren Bekmann in Anspruch nehmen. Schon die Verwechselung des Garten-Fuchsschwanzes (Amarantus caudatus) mit der Hirseart ist wohl dem Theologen Bekmann aber nicht dem Botaniker Gleditsch zuzutrauen.