Heft 
(1896) 4
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Eine verschollene Uetreideart,

keine. Ich liess bei einer Anzahl Mehl- und derlei Viktualienhändlern Prags nachfragen; die meisten kannten die Frucht nicht einmal, nur zwei alte Gräupner liessen mir sagen, der Himmelthau werde gegen­wärtig in Prag nirgends verkauft, weil niemand danach frage und der Genuss desselben in der hiesigen Bevölkerung unbekannt ist. [Ähnlichen Bescheid erhielt meine Wirtschafterin von einer alten Mehlhändlerin des Potsdamer Viertels inbetreff des schliesslich doch noch aufgetriebenen Schwadens. A.] Die Frucht sei nur bei Vogel- und Samenhändlern im kleinen zu kaufen. Der Eine sagte, er kenne diese Frucht wohl, sie werde im östlichen Böhmen, wo sie, wie mein Prodromus angiebt (s. S. 50, 51) viel gebaut wird, selbst von dem dortigen Landvolk nur wenig genossen, sondern grösstenteils nach Deutschland, wo man sie mehr schätzt, verkauft. [? A.] Herr Polak [ein auch mir wohl bekannter, viel gereister Prager Botaniker. A.] sagte, er habe sie als junger Mensch einmal in Lomnic (Nordböhmen), als Brei zubereitet, gegessen; sie schmeckte ihm aber nicht. Das war sicher noch vor einem halben Jahrhundert anders. Mir ist aus den Erzählungen älterer Verwandten über die wunderlichen Bezeichnungen der Speisekarten in den böhmischen Bädern Karlsbad und Teplitz noch einHimmelthau mit Bäckerei (oder etwa Himmelthau-Bäckerei?, dass letzteres Wort in Österreich für Gebäck gebraucht wird, ist bekannt), im Gedächtnis geblieben.

Jedenfalls kann man dem Fortbestände dieser Kultur kein günstiges Prognostikon stellen.

Auch bemerkt Körnicke mit Recht,das die Bluthirse in Gegenden mit früherer oder noch jetzt slawischer Bevölkerung gebaut wurde und wird. Es ist daher wahrscheinlich, dass sie von Slawen zuerst in Kultur genommen wurde. Dies konnten nur solche Stämme sein, welche mehr im Süden sassen, da sie als wilde Pflanze nicht weit nach Norden geht. Sie dürfte also zuerst innerhalb der cisleithanischen österreichischen Staaten ein Gegenstand des Anbaus geworden sein. Höchstens könnten etwa noch Süd-Ungarn, Serbien und Bulgarien in Frage kommen.

Die Bluthirse teilt, was den Rückgang betrifft, das Schicksal der Kolbenhirse; selbst die Rispenhirse ist sicher jetzt viel weniger ver­breitet als im Mittelalter. Während aber diese beiden Fruchtarten den Alten wohl bekannt waren (die Kolbenhirse war das Panicum der Römer und wurde mir z. B. bei Locarno im Kanton Tessin Panico genannt), reicht der Anbau der Bluthirse schwerlich so weit in die Vergangenheit zurück. Mit Recht macht Körnicke dafür geltend:Dass sie eine der jüngsten Getreidearteu ist, dafür spricht auch ihre völlige Gleichheit mit der wilden Stammform.

Wenn auch der Ursprung dieses Anbaus völlig im Dunkel liegt, so können vielleicht die deutschen und slawischen Namen der Kultur­pflanze einen Fingerzeig geben. Böhmisch heisst dieselbe Rosa (spr.