Heft 
(1896) 4
Seite
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Eine verschollene Getreideart.

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machte mich auf den in den Sitzungsbericht der Berliner Anthropolo­gischen Gesellschaft 1884, S. 167 abgedruckten Fundbericht von Direktor Voss aufmerksam. Auf dem Acker des Bauern Beck wurden circa 2 Scheffel eines feinkörnigen verkohlten Samens ausgegraben, den Geh. Rat Wittmack als geschälte kleinkörnige Hirse, entweder Panicum italicum var. praecox oder P. sanguinale bestimmte. Leider ist bei der mangelhaften Feststellung der näheren Umstände und bei dem Vor­kommen von prähistorischen Urnenfragmenten neben mittelalterlichen Scherben das Alter des Fundes ungewiss. Trotzdem bleibt derselbe von hohem Interesse, obwohl er für die Kultur des P. sanguinale keinen entscheidenden Beweis zu liefern scheint (s. unten).

Ich kann es mithin nicht billigen, dass Krause in seiner Mecklen­burgischen Flora (1893) S. 16 bei P. sanguinale als positive Thatsache angiebt:Getreide aus der Wendenzeit bis zu Ende des Mittelalters, und dass er S. 16 und 17 von den wildwachsenden Panicum -Arten behauptet, dass sie ursprünglich alsHirseunkräuter in unser Gebiet gelangt seien. Dies ist weder bewiesen noch wahrscheinlich. Ausser P. sanguinale sind noch P. Crus galli, P. verticillatum und P. glau­cum im warmen Erdgürtel weit verbreitete Unkräuter, die sich im Gefolge der gesamten landwirtschaftlichen und Garten-Kultur und nicht etwa blos des r P. miliaceum, dessen Heimat Körnicke 1) als nicht siche bekannt bezeichnet, oder der beiden anderen Kulturhirsen nach Mittel­und zum Teil Nord-Europa verbreitet haben. Dass P. viride, nach Körnickes durchaus wahrscheinlicher Ansicht, die wilde Stammform des P. italicum, überall von verwilderter Kolbenhirse abstammt, ist durchaus nicht anzunehmen. Noch viel unwahrscheinlicher ist es aber, wie ich bereits vor Jahren mich geäussert habe,e 2) dass die gegenwärtig Verbreitung des P. sanguinale als wilde Pflanze mit dem Gebiete seines früheren Anbaus zusammenfällt. Es ist ebenso häufig und häufiger als in den ehemaligen und jetzigen westslawischen Ländern im germanischen und romanischen West- und Südeuropa, in Gegenden wo die Bluthirse niemals als Kulturpflanze bekannt geworden ist.

Nachschrift:

Herr Direktor Voss hatte die Güte mir von der oben erwähnten, im Kgl. Ethnologischen Museum auf bewahrten Pribbernower Hirse eine Probe mitzuteilen. Die kreisrunde Form der verkohlten Körner schliesst Panicum sanguinale unbedingt aus. Herr Professor Körnicke, dem ich

1) Kömicke und Werner, Handb, des Getreideb. I, S. 248, 249:Ich vermute jedoch auch, dass sie dort (Ostindien.) oder in einem nördlich daran angrenzenden Lande zu Hause ist.

2 ) Abh. Bot. Ver. Brand. XXXII (1890) S. 170.