Parchent, richtig Pärchen.
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nicht ringsum mit Mauern versehen gewesen sei. Allenthalben finden sich aber Merkmale für das Gegenteil und die noch jetzt vorhandenen Überreste der Mauern lassen den sicheren Schluss zu, dass die Mauern zu einer Zeit errichtet waren, als man sich noch der Armbrust als Kriegsw'affe bediente. Ks unterliegt hiernach und in Verbindung mit dem, was ich von den Städten des Ordenslandes anführen werde, wohl kaum einem Zweifel, dass jene Planken zur Herstellung von Zäunen gedient hatten, nach Art der Pärchen, und dass diese Zäune dazu bestimmt waren, einen Kaum vor der Stadtmauer sowohl gegen ein unmittelbares Ilerandringen an dieselbe von aussen her herzustellen, als auch eine gedeckte Bewegung der Verteidigungsmannschaft ausserhalb der Thore vor der Stadtmauer zu ermöglichen.
Ks würde sich sonach der Begriff Pärchen in Luckau und Lübben nur mit dem Unterschiede decken, dass dort der cingeschlossene Kaum, der später in Gärten verwandelt wurde, hier die umschliessende Umwehrung gemeint war. Ob nun thatsäehlieh zu einer Zeit, als die Einrichtung überhaupt noch bestand, dieser Unterschied vorhanden war, ist mir bedenklich anzunehmen. In Lübben ist für den von der Mauer abgeschlossenen Raum eine Bezeichnung überhaupt nicht mehr vorhanden; ob oder bis wie lange eine solche bestanden hat, ist unbekannt, da Lübben wahrscheinlich schon sehr früh jede Bedeutung als befestigte Stadt aus denselben Gründen verlor, aus denen s. Z. Napoleon I. es vorzog, Luckau zu befestigen, um das Vordringen der Verbündeten aufzuhalten. Aus eben demselben Grunde werden sich in Luckau Bezeichnungen, die mit der ehemaligen Befestigung der Stadt im Zusammenhänge standen, dort länger in der Erinnerung erhalten haben, nur mit dem Unterschiede, dass zunächst die Stelle, wo der Pärchen ehedem gestanden hatte, diese Bezeichnung erhielt, und später wieder diese auf das ganze Gebiet bis zur Mauer ausgedehnt wurde. Wie solche Verschiebungen sich in verhältnismässig kurzer Zeit d. h. im Laufe eines Menschenalters vollziehen, kann man hier in Berlin beobachten. Es ist nicht zu lange her, dass am Neuen Thor Steuerbeamte nach dem „Steuerbaren“ fragten. In ganz ansehnlicher Entfernung davon führte die Invalidenstrasse vorbei. Der dazwischen liegende Teil wurde zu irgend einer Zeit „Platz am Netten Thor“ genannt. Die Pferdebahnscltaffner rufen heut teils „Neuen Thor“, weil ihnen die ganze Bezeichnung zu lang ist, teils „Neues Thor“. Der Fremde steigt aus und sucht vergeblich das Neue Thor. Nach 30 Jahren vielleicht, oder wenn die noch vorhandenen Thorgebäude gefallen sind, wird kaum mehr jemand daran zweifeln, dass an jener Haltestelle das Neue Thor gestanden habe, statt 50 Schritte dahinter. Stellt man sich vor, dass den Luckauern die Bezeichnung „hintern“ oder „am Pärchen“ zu lang geworden sei, so findet sich nach ähnlicher Wandlung die Bezeichnung „Pärchen“ für einen Landstreifen ganz erklärlich. In ganz ähnlicher Weise wird sich in der mittelalterlichen Stadt der Begriff „Zwinger“ entwickelt haben. Zwinger ist ein festes oder befestigtes Gebäude, also jeder mit Befestigungsanlagen in Verbindung stehende Turm; mithin jeder Turm in einer Stadtmauer. Der Zwinger der mittelalterlichen Stadt ist nun aber der Raum zwischen der Stadtmauer und den Hinterfronten der zunächst gelegenen Strasse, nach welchem keinerlei Ausgang führen durfte, der den Verteidigungsmannschaften