Heft 
(1896) 4
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Parchent, richtig Pärchen.

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an der Mauer entlang ungehinderte Bewegung gestattete und dessen Betreten jedem Unbefugten bei hoher Pön verboten war. Der Kaum hiessdes Rates Heimlichkeit. Er hatte seinen Namen offenbar von den dicht daran gelie- genden Mauern und Tünnen (Zwingern).

Dass meine Erklärung für Pärchen zutreffend, beweist eine Mitteilung, die mir von meinem um die Geschichte Westpreussens, namentlich der Stadt Graudenz hochverdienten Freunde Xaver Frölich, in Bezug auf denParchim der Stadt Graudenz nicht zu verwechseln mit der dabei liegenden Festung, der mir vom Ansehen bekannt ist, machte. Er schreibt:Unter dem Deutschen Orden wurden die Stiidte und Burgen in der Weise befestigt, dass ausserhalb der Kingmauer, welche den Ort umgab, ein Ausfall- oder Verteidigungsraum durch hinaustretende Türme oder Auskragungen zugäng­lich war, den man, wenn es sich lediglich um Verteidigung handelte, durch Pallisadenverschluss auf der äusseren Kante der Schutzmauer, die von jenem Ausfall- oder Verteidigungsraum nach dem rings um den Ort gezogenen Graben hinabstieg, versicherte. Bei Burgen pflegt dieser Pallisadenverschluss wohl auch durch eine mannshohe Mauer mit Schiessscharten ersetzt zu werden. Der Ausfall- oder Verteidigungsraum wurde mit den besten Truppen besetzt und hiess:Parchim, Parcham, Parehan, Pärchen.

Diese Darstellung stimmt im Wesentlichen mit dem überein, was Herr Matzdorf S. 238 der Monatsschrift anführt:mit Pärchen bezeichnet man im Ordenslande den Kaum zwischen den beiden Mauern. Es liegt wohl auf der Hand, dass ein Planken- oder Pallisadenverschluss bis zum allgemeineren Gebrauch des Schiesspulvers vollständig zur Deckung der Mannschaften aus­reichte, darnach aber durch eine Mauer ersetzt wurde. Sonach deckt sich der Sache nach der Begriff des Niederlausitzer Pärchen ungeachtet der ver­schiedenen Bedeutung des Wortes in den beiden mehrerwähnten Städten im Wesentlichem mit dem Parcham, wie er S. 198 der Monatsschrift auch vom Marienburger Schloss erw'Uhnt ist. Denn eine einem Schlosse angebaute Terrasse setzt immer eine Brustwehr gegen den Abhang nach der Ebene oder nach einem umgebenden Graben voraus, vielleicht nicht ohne dass die Beschaffenheit dieser Verwehrung auf die Bezeichnung der Hauptsache von Einfluss sein dürfte.

Den Übergang zur sprachlichen Erklärung des Wortes Pärchen bildet die Mitteilung des Herrn Matzdorf, wonach in einer Urkunde des Posener Stadtbnches von 1472 die BezeichnungAntemurale alias parcam vorkommt und weiter gelegentlich der Ausdruckparcanum Verwendung findet. Er­klärt ist das letzte Wort aus dem polnischen parkan-Zaun. Herr Frölich sagt zwar:dass diese Bezeichnung mit Parcan, welches polnisch Zaun be­deutet, identisch ist oder im Zusammenhänge steht, ist nicht anzunehmen, weil die Begriffe Zaun und Parchim sich nicht decken. Altpreussisch und litthauisch ist das WortParchim nicht, jedoch wird er nicht die Wande­lung und Übertragung von Zaun auf den dahinter liegenden Kaum in Be­tracht gezogen haben. Wenn man berücksichtigt, einerseits dass unzählige Ausdrücke des gewöhnlichen Lebens im Niederlausitzer Dialekt dem Wen­dischen entstammen und meist nur wenig verändert darin Aufnahme gefunden haben, andererseits dass das Polnische und Wendische sehr nahe verwandt