Heft 
(1896) 4
Seite
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Carl Bulle, Wendische Dämonen.

jeder vor geweihten Stätten empfand, zu benutzen, falls ein Feind die Stadt angreifen sollte. Wäre die Mauer über den Lustgarten gegangen, so wäre diese Erwähnung der Klostermauer vollkommen zwecklos, da das Kloster dann die Stadtmauer gar nicht berührt hätte, wie auch auf dem schon genannten Schmidtschen Plane zu ersehen ist. Für uns spricht auch in der Abtretungsurkunde der AusdruckWinkel; mit Winkel würde man das geräumige Terrain zwischen Lange Brücke und Kaiser Wilhelm-Brücke nicht bezeichnet haben; wohl aber ist das ab­getretene Stück innerhalb der Mauer ein Winkel, wenn dieselbe beim runden Turm an der Spree geendigt hat. Das Wortdartho scheidet ganz klar zwischen diesem Winkel diesseit der Stadtmauer und dem Werder jenseit derselben, dem eigentlichen Bauplatze. Vollkommen zwecklos und unerheblich aber wäre eine Abtretung des Werders ge­wesen, wenn die Mauer bei der Kaiser Wilhelm-Brücke geendigt hätte, d. h. der Bauplatz innerhalb derselben gelegen hätte. Das Stück Stadtmauer von der Spree bis an das Kloster aber musste abgetreten werden, um eine Verbindung beider Teile möglich zu machen.

Endlich bildet noch einen weiteren Beweis für unsere Annahme die Lage des von dem Abt von Lehnin dem Kurfürsten abgetretenen Hauses und Hofes. Dieselben lagen bei der Mauer dem Kloster gegen­über an der Spree, 1 ) also auf dem Schlossplätze, ebenfalls an die Mauer angebaut; wäre die Mauer über den Lustgarten gegangen, so hätte diese Besitzung nicht dem Kloster gegenüber liegen können, sondern hätte auf dem unbebauten Werder gelegen, was wohl nicht gut denkbar ist.

..Alle diese Beweise geben uns demnach wohl das Recht, die Be­hauptung aufrecht zu erhalten: Die älteste Köllnische Stadtmauer ging über den Schlossplatz und endigte bei dem Rundturme, der sich am Ufer der Spree zwischen der Langen Brücke und dem heutigen könig­lichen Schlosse erhob.

Wendische Dämonen.

Von Carl Bolle.

Es giebt eine Anschauung, die in dem was man Aberglauben nennt, nur krasse und verderbliche Selbsttäuschung, von der es eine Wohlthat ist, die darin Befangenen zu befreien, erblicken will; es giebt eine andere, welche jenem Begriff tiefere Bedeutung zugesteht und ihn mit psychologischen und anthropologischen Wechselwirkungen umfassendster Tragweite in Rapport setzt. Aberglaube ist die Poesie des Lebens, hat Götlie gesagt; er hätte hinzusetzen dürfen: des Lebens, das an einfachere Bedingungen gefesselt, den Idealen höherer Bildungsstufen fernbleibt.

') Urkunde vom 18. März 1443 bei Riedel, Codex dipl. Brand. A. X. p. 277.