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Carl Bolle, Wendische Dämonen.
der Überwundenen und lange Verfolgten angchören. Es ist dies, wie wir alle wissen, eine Reichtum und Vornehmheit voraussetzende, ganz aristokratisch zu nennende Erscheinung der Domesticität.
Auch jene geisterhaften Gestalten, die uns aus dem leider so gelichteten Dunkel des Spreewalds entgegentreten, haben Glauben, und fast möchte ich sagen, stillen Kultus in unserer Niihe gehabt. Wie am Koboldsee und an der Bullgrubc, hat es von ihres Gleichen gewimmelt an den jetzt modern gewordenen Teichen von AVeissensee und Tempelhof, auf den Ilavelbcrgen, im Grunewald und in der Jungfernhaide. Es dürfte nicht lange her sein, dass man vor ihnen innerhalb der Bannmeile, selbst der Mauern Berlins geschauert, ja, sprechen wir das gute AA’ort dreist aus, sich „gegrault“ hat.
Zu weit würde es führen, versuchten wir an dieser Stelle auf den Ursprung des Dämonenglaubens mehr als ganz flüchtig einzugehen. So altersgrau verliert er sich in die fernste Nacht der Zeiten, so trotzig und unausrottbar tritt er uns andrerseits noch in der Gegenwart unter die Augen, dass wir mit ihm zu rechnen haben als mit einem unabwendbar objektiv Gegebenen. Ist er nicht, den Religionen gegenüber, die Götterdllmmerung des Beginnens, wie Zweifel und Verneinen und wiederum das Auftauchen neuer spiritistischer Schemen die Götterdämmerung von deren Niedergang bilden? Von dem Rosenschein der Poesie verklärt und von ihm durchgeistigt, öffnen sich für so märchenhafte Spiegelungen auch die ältesten, lange verschlossen geglaubten Pforten und lassen sie uns schauen in volkstümlicher AVeise; hur muss die Psyche in der sie Einlass begehren, atavistisch genug besaitet sein, um sich für ihre wollüstigen Schauer empfänglich zu fühlen.
• So bekunden diese frühen Gebilde der Einbildungkraft eine unendliche Lebenszähigkeit und selbst Hochgebildete bekennen zuletzt: es ist süss, einmal wenigstens an ihre luftigen Fabeln geglaubt, sich gesonnt zu haben an dem schillernden Strahl ihrer lieblichen Unmöglichkeiten. Es ist dem über solches Ilinausgewachsenen nicht minder ein köstlicher und lebenslanger Nachgeschmack auf der Zunge, sich an sie zu erinnern.
Das gilt so gut für den einzelnen Alenschen wie für die Nation, ja es gilt für die gesammte Alenschheit; diese, kann den Pantheismus nun und nimmer ganz los werden. Das Auge des Naturmenschen scheint eine ahnungsreiche, in die Unendlichkeit hinaus sich fortspinnende, seherhafte Schaukraft besessen zu haben, die dem Givilisierten verloren gegangen, trotzdem aber lieb geblieben ist. Hat dies jenen vielleicht dafür entschädigt, dass er von den A\ r eltweiten nichts wusste, welche die Hilfsmittel der Alechanik, welche Teleskop und Alikroskop uns erschlossen haben? AVas wusste er in der That von den Gestirnen und ihren Rotationen ? AA'as von jenem entsetzlichen Pandämonium, das von dem Oidium, der Blut- und Reblaus beginnend, in den Abgrund der kleinsten und allerkleinsten Unholde, zu den Trichinen, A'ibrillen und Bakterien hinabsteigt? Selbst die ihn umringende Thier- und Pflanzenwelt verstand sein in anderer Hinsicht so luehsscharfes Auge bei weitem nicht mit der systematisierenden Genauigkeit unserer heutigen Naturkunde zu sondern und zu zergliedern. Aber Luft, Erde und AVasser um ihn