Heft 
(1896) 4
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Carl Bolle, Wendische Dämonen.

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herum waren voller Bedrohlichkeiten, mitunter auch voller Freundlichkeit,

die personifiziert sein wollten.

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Dies war das Feld auf dem die dem Volke von jeher innewohnende dichterische Begabung ihre Bethiitigung suchte. Naturkräfte auf der einen, die rein menschliche Lust am Fabulieren aut anderer Seite, dazu noch ein drittes Moment, die Unlust an der Prosa des Werktagslebens und das sich Emporringen zum Ideal: hier war ohne Zweifel der Ursprung des Dämonen- glaubens, der älter ist als alle Mythologien, zugleich aber auch jünger, denn er überlebt jene um Jahrtausende und flicht seine gaukelnde Guirlande, seine lange Prozession anthropomorpher Gestalten um Altäre auf denen man opfert und um Altäre, die langsam in den Staub sinken.

Im Spreewald wollen wir die wendischen Dämonen aufsuchen, obwohl sic auch weiter hinauf am Ursprung der Spreegewässer bis zu den höchsten Basaltkuppen der Oberlausitz hin ihren Wohnsitz haben. Wir thun es, weil eben der Sprecwald lange Zeit hindurch ein besonders eigenartiges Gepräge sich zu erhalten gewusst hat, Natur und Menschentum sind hier absonderlich geblieben, so dass sie reden und lehren können von Dingen über die andere Gegenden kaum mehr Auskunft geben.

Es kommt aber noch ein Beweggrund von Wichtigkeit hinzu.

Der Spreewald hat für das hier in Rede stehende Gebiet den be­gabtesten und fleissigsten Beobachter aufzuweisen. Ein verständnisvolles Künstlerauge hat voller Liebe und voller Eifer jahrelang auf dieser Sumpf­landschaft geruht, hat in Wort und Bild daselbst aufgezeichnet was dem Volksgeist noch abzulauschen, was von verklingender Sage noch zu retten war. Wie der Botaniker auf vieljährigen Wanderungen innerhalb eng- gezogener Grenzen eine Pflanze und einen Pflanzenstandort zum anderen gesellend, endlich das vollständige Bild einer Flora zu Stande bringt, so hat in ähnlicher Sphäre ein rastlos sich mühender Geist das geschaffen und grossenteils veröffentlicht, was mit Recht eine Dämonenfauna des Spreewalds genannt werden darf.

Dieser verdienstvolle Forscher, dessen Namen ich als den eines Freundes mit Stolz und Sympathie zugleich ausspreehe, ist Wilibald von Sehulenburg. Sein BuchWendische Volkssagen und Gebräuche aus dem Spreewald hat zahlreiche und dankbare Leser gefunden. Diesem hat er ein zweites ver­wandten Inhalts unter dem Titel:Wendisches Volkstum folgen lassen. Seine Führerschaft ist es, die ich hier in Anspruch nehme, und der ich mich ansehliessen will, wie ich mehr als einmal seiner persönlichen Leitung an Ort und Stolle nachtreton durfte, so oft es mir vergönnt gewesen war, den Spreewald zu besuchen und mit seinen Bewohnern in Berührung zu kommen. Wenn die Bahnbrecher deutscher Altertumskunde, die Gebrüder Grimm, die Veröffentlichung von Scliulenburgs Schriften erlebt hätten, würden sie ihm, als einem ebenbürtigen Geistesverwandten, freudig die Hände ge­reicht haben.

Der Spreewald, jener urwüchsige, jetzt leider stark abgeholzte, aber immer noch schöne und grossartige Sumpfforst mit den traulichen, überall zerstreuten Heimstätten einsam lebender und dennoch so geselligen Menschen, wie gross ist doch seine Anziehungskraft! Mag ihn an der Natur verübter