Heft 
(1896) 4
Seite
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Car! Bolle, Wendische Dämonen.

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Die schmalen Sprcefliesse kreuzen sich tausendfach, ziehen ihre Strudel und unterwühlen tief ausgehöhlte Ufer. Dem Menschen spenden sie eine Ueber- fiille nn Fischen und Krebsen; sie treiben seine Mühlen und wässern seine Gärten. Aber wenn er auch hinabtaucht in ihre Schlünde, wenn er selbst mit der Hand die schuppige Beute zu erhaschen weiss, athmen kann er doch nicht in dem feuchten, auf die Länge ihm feindseligen Element; das kann nur der Nix, der Dämon des Wassers, der unter dem blinkenden Spiegel seine Wohnungen, seine Paläste hat.

Die Meerfrauen und Rheintöchter des germanischen Heidenthums sind gesellige Wesen, der wendische Nix dagegen ist ein Freund der Einsamkeit. Sein Leib ist weiss und schön, obwohl die meisten ihn nur bekleidet gesehen haben, meist in Grün, wie die Zaba, der Wasserfrosch oder grüne Jäger, stets mit ihm in enger Verbindung gedacht, trotzdem einige meinen, der Nix trage lauter bunte Läppchen, die er gelegentlich flickt, als Anzug. Es hat dem Nix immer von den Kleidern getropft und die Berührung seiner Hand ist feucht und elektrisch, stets aber kalt gewesen. Im Wasser sind die Nixe, wie Enten und Lietzen, trocken, nur die Nähte ihres Zeuges beständig nass; sie waren wie Kinder von sechs Jahren und konnten sich verwandeln. Aus dem Wasser langten sie heraus, fassten nach den Rudeln oder hingen sich ans Steuer. Nixe halten sich da auf, wo es besonders tief ist und wo ein Nix haust, giebt es weder Fische noch Krebse. Man warnt die Kinder vor ihnen und giebt nicht gern zu, dass sie allzu dicht am Ufer spielen oder allein im Kahn fahren. Die meisten Ertrunkenen wurden vom Nix unter die Flut gezogen. Vor Johanni ist er am mächtigsten, deshalb soll man vor diesem Zeitpunkt nicht baden. Am Johannistage ist er besonders gefährlich.

Zwischen Nixen und Menschen herrscht alte Feindschaft, die indes wie alle Extreme, oft genug ins Gegenteil timschlägt, d. h. zur Liebe wird, welche jedoch fast ausnahmslos schlimm endigt. Der männliche Nix kommt gern in die Spinnstuben und zu Tanze; aber draussen in der Wildnis hat er die üble Gewohnheit, dem vom Weibe Geborenen an die Gurgel zu springen und ihn mit seinen spitzen Hechtzähnen abzuwürgen. Wenn flotte junge Burschen ihren Nixenbräuten unter das Wasser folgten, wohin sich allemal ein trockener Steg zu öffnen pflegte, schwebten sie beständig in Gefahr von ihren Menschenfleisch witternden Quasi-Schwiegervätern, in adamitischer Ent- blössung auf dem Lager hingestreckt, zwar schön befunden, schliesslich aber erdrosselt zu werden.

Verhältnisse der Nixe zu liebenswürdigen jungen Dirnen dauerten in der Regel länger, ja sie führten sogar bisweilen Kindersegen mit sich. Aber auch in diesen Fällen bewies sich der spukhafte Herr Gemahl stets als ein enragirter Christenfeind. Er gab zwar hin und wieder dem Verlangen seiner Liebsten nach der Oberwelt nach, erlaubte ihr selbst ausnahmsweis den Kirchgang, aber den Segen des Priesters abzuwarten, war der Nixenfrau verboten. Kehrte sie sich, voll religiöser Inbrunst, hieran nicht, so konnte es geschehen, dass sie oder ihr Kind, mitunter beide, beim Heraustreten aus der Kirche, von dem erzürnten Wassergeist in Stücke gerissen wurden.

Fast in jeder Wassermühle hauste ein Nix. Früher konnte man