Carl Bolle, Wendische Dämonen.
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Da fragten die Leute: Was geht denn vor? Wo willst du hin, dass du dein Zeug flickst? Und der Nix antwortete nach seinem ärmlichen Versuch in lyrischer Poesie: Unsere Leute gehen morgen alle fort und ich muss mit. Sollte man nach all diesem dies Männchen nicht im Verdacht haben, eigentlich eher ein Ludk gewesen zu sein, zu dessen Treiben das Seinige besser gestimmt haben würde? Aber nicht nur die Erdmltnnchen, auch die Nixe scheinen wirklich abgezogen, denn man hört jetzt wenig mehr von ihnen. Nur wenn ein Mensch ertrinkt, taucht der Gedanke an den unheimlichen Wassermann regclmllssig wieder auf.
Im übrigen sei darauf aufmerksam gemacht, dass unsere Berliner Civilisation da wo sie an das Nixenreich grenzt, in den Badeanstalten, etwas von dem alten Herrn der Gewässer überkommen zu haben scheint: das von seinem Kostüm unzertrennliche rote Kiippchen. Dieses lebt, leicht erkennbar fort in der roten Badekappe, die allein der dreiviertel Stunden im Wasser aushaltende Fahrtenschwimmer zu tragen berechtigt ist. Bleibt dieselbe hier nicht das Symbol nixenhafter Ausdauer und Beweglichkeit in einem dem gewöhnlichen Sterblichen fremden Element?
Vielleicht darf ich auch noch erwiihnen, dass meine Grosstante Lottchen, die mit Leidenschaft der Jagd in den Zossener und Baruther Wäldern oblag, wenn nicht den allerletzten, so doch gewiss einen der letzten Nixe leibhaftig mit eigenen Augen gesehen hat. Rotkäppig sass er auf grasigem Waldwege, der am .Tühnsdorfer See im Zossener Lande endet. Plötzlich aufspringend stürzte er sich ins Wasser und verschwand darin. Ich kenne Vogelkundige, die da glauben, dass die rotgehilubte Baumente (Mergus Merganser) zuweilen den Nix gespielt habe. Tante Lottchen indes hätte ihr waidmännisehes Auge so plump nicht täuschen lassen. Uns ziemt es bei gegenwärtiger Betrachtung nicht allzu skeptisch zu sein.
Wasserjungfern und Wasserfrauen spielen, neben dem Nix, nur eine untergeordnete Rolle in der wendischen Dämonologie, wenn sie überhaupt als von den weiblichen Nixen specifisch verschieden angesehen werden dürfen. Ihr Singen am Ufer giebt ihnen etwas Loreleihaftes, das man vergeblich versucht hat, einer anderen Figur des lokalen Mythus anzudichten. Aber auch sie sind Wesen sehr unheimlicher Natur und dabei nicht einmal, nach Weise der Sirenen, durch besonders verführerische Reize ausgezeichnet; es ertrinken nämlich beständig Leute wenn und wo sie sich zeigen. Eine derselben hat an der Stradower-Brücke eine blutrote Hand hingehalten; eine andere kämmte mittags und abends ihr langes Haar und liess keinen Fischer nach Sonnenuntergang mehr vorbei. Sie hiess: Die Frau die immer dasass.
Schon Heinrich Heine hat uns in seinen „Elementargeistern“ darüber aufgeklärt, dass die feurigen Männer, welche nachts umgehen, keine eigentlichen Geister, sondern Gespenster von Verstorbenen, tote Wucherer, unbarmherzige Amtmänner oder sonstige Bösewichter gewesen sind, vor allem solche die einen Grenzstein verrückt hatten. Bei den Wenden gesellen sieh zu diesen noch gespenstige Kälber, Hunde und Schweine von sehr zweifelhaftem Charakter. Wehrwölfe spielen keine grosse Rolle und obwohl ich fest überzeugt bin, dass die Sage von den Wilkorasen zu Müschen, jenen fürchterlichen reissenden Tieren, die nachts unter die Fenster kamen und, menschen-