Carl Bolle, Wendische Dämonen.
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dem Pochen der Eisenhammer wichen. Sie sollen die Glocken Brumbaki genannt und gesagt haben:
Die Brumbaki kommen in die Welt;
Jetzt müssen wir aus der "Welt.
Tausend Dinge waren von ihnen noch zu erzählen.
Wenn man sie, heimlich angeschlichen kommend, bei Grossvater und Grossmama zur Schummerstunde rotjackig, mit bammelnden Beinchen auf der Ofenbank sitzen sieht, gleichen sie da, ganz schlicht und einfach, nicht einer Verkörperung der alten guten Zeit selbst, nach der Sehnsucht und Bedauern nie erlöschen wollen?
Als ich an einem nebeligen Novembertage unter der grossen Eiche bei Straupitz stand, die den Namen der Lutkieiche führt, unter der die letzten dieser mysteriösen Leutchen ihren Gottesdienst gefeiert haben sollen, gewahrte ich am Stamm, in nicht sehr grosser Höhe, Spur und Narbe eines al»gebrochenen starken Astes. Es ist das bei Bäumen etwas sehr Gewöhnliches, aber ich gestehe, es erinnerte mich hier unwillkürlich an jene rührende Geschichte von dem vermöge menschlicher Bosheit durchsägten Ahornast auf welchem das kleine Volk im Schweizer Lande zu kauern pflegte, ehe cs der Heimat für immer Valet sagte, nachdem es hinterlistig betrogen, vom Baumast hcrabgestürzt war. Melancholisches Abbild jener grossen polabischen Nation, der unter den Härten und Schonungslosigkeiten, unter dem blut- heischcnden Glaubensfanatismus fremder Invasion, nach dreihundertjährigem ruhmvollen Widerstand der Lebensast abgesägt werden sollte.
Der Spreewald hat kein weites Blachfeld, nur Wald, Wiese und garten- beetartige Äcker. Aber draussen, rings umher dehnen sich zwischen den Brüchen und Kienheiden endlose Feldfluren, auf denen schon in der Urzeit des Westslavenvolks die goldene Halmfrucht meilenweit wogte. Diese Feldflur ist die Heimat der Pschesponiza oder Mittagsfrau.
Es entspricht dieser Feldspuk der Roggenmuhme der Niederdeutschen. Auch sie ist ein dem Menschen feindlicher Dämon, wenn auch andrerseits wieder etwas von dem Charakter eines Sehutzgeistes des Ackerbaues ihr anhaftet.
Zweierlei fällt bei ihrer Betrachtung ins Auge. Die Mittagszeit hat ein ihr eigentümliches Grauen. Sie ist die Stunde wo der grosse Pan schläft. Wer aber auf das Feld geht, kehrt nicht immer wieder. Kinder verirren sich bisweilen und verschwinden spurlos im Ilalmenwaldc; Erwachsenen kann die Mittagsgluth durch den gefürchteten Sonnenstich leicht den Tod bringen. Zwischen diesen Polen bewegt sich der Begriff der Pschesponiza.
Als weiss gekleidete Gestalt, das Haupt mit einem Schleier umwunden, und eine Sichel am Gürtel, schreitet sie über das menschenleere, ihr zu dieser Tageszeit wie einer zweiten Ceres allein gehörige Feld. Die Mittagsstunde, die als Esszeit bei den Wenden so früh anhebt, wie in der grossen Welt noch in den Tagen der fabulirenden Königin Margarethe von Navarra, zwischen 11 und 12 Uhr nämlich, ist die Periode ihrer ausschliesslichen Herrschaft. Dann flieht alles und verbirgt sich entweder unter Dächern oder im Gebüsch. Wen sie dennoch draussen antrifft, den quält und peinigt die Pschesponiza mit verfänglichen Fragen, die, wenn es eine Frau betrifft,
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