Heft 
(1896) 4
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6. (5. ausserordl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres.

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hat sich auch der Herr Cardinal*) zu Vincennes auf der Jagd ergötzt; das Wild aber, so er gefangen, ist ins Holz, aber nicht in die Küche gelaufen. Einige wollen doch, er habe etliche kleine Vögel geschossen. Ich möchte diese Jiiger wohl bei Ew. Chnrf. Dl. im Köpenickischen Walde sehen und wahrnehinen, wie sie sich in Dero Jagddisziplinen schicken würden.

Hierzu ist zu bemerken, dass der König damals erst 17 Jahr alt war und sieh am 9. Juni dess. Jahres 1660 erst mit der Infantin Maria Theresia, Tochter Philipps IV. von Spanien, einer geistig wie körperlich unbedeutenden Prinzessin vermählt hatte, der nun diese Jagden als Wunderdinge vovgefuhrt wurden. Wie anders das edle Waidwerk seit der Joacliimschen Zeit in der Um­gebung Berlins, Spandaus, Coepenicks und besonders Königs-Wusterhausens (da­mals noch Wendisch-Wusterhausen), obwohl die Wildbahn während des dreissig- jährigen Krieges aller Pflege entbehrt hatte und arg verwüstet worden war. Welche Kapital - Hirsche in den märkischen Wäldern hausten, ersieht man u. a. aus dem riesigen alten Rothirsch, einem Sechsundsechzig-Ender, dessen Abbildung (Kopf und Hals) in Öl gemalt, heut von den Mitgliedern unserer Brandonburgia in einem der Gemächer des Jagdschlosses Königs-Wuster­hausen (der - Jagdhalle) besehen wurde. Unser Ehrenmitglied Theodor Pont «ne (Wanderungen durch die Mark Brandenburg. 2. Auf!. 1868, S. 127) schreibt darüber folgendes:

In dieser Halle befinden sich, nach Art dieser Lokalitäten, 6 oder 8 Hirsch­geweihe, an denen nichts besonderes wahrzunehmen ist. Die frühere Sehenswürdigkeit dieser Halle ist ihr verloren gegangen. Es war dies (so geht die Sage) das 532 Pfund schwere Geweih eines Riesenhirsches, der 1636, also zur Regierungszeit George Wil­helms, in der Köpnicker Forst, 4 Meilen von Fürstenwalde, erlegt worden war. Es ist über dies Geweih, auch in neuerer Zeit noch, viel gestritten und obige Gewichts­angabe, wie billig, belächelt worden. Nichtsdestoweniger muss das Geweih etwas ganz Enormes gewesen sein, da Friedrich August II. von Sachsen dem Könige Fried­rich Wilhelm I. eine ganze Compagnie langer Grenadiere zum Tausch anbot, ein Anerbieten, das natürlich angenommen wurde. Das Geweih existiert noch und soll sich auf dem Jagdschloss Moritzburg bei Dresden befinden.

Hierzu bemerke ich, dass sich das Geweih noch jetzt in dem Audienz­saal der Moritzburg unweit Eisenberg mit 39 monströsen Hirschgeweihen zusammen befindet und über der Thür angebracht ist. Selbstverständlich handelt es sich nicht um einenKiesenhirsch, den dem Quartär ungehörigen ausgestorbenen Megaceros hibernicus oder den neuerlich bei Klinge von Alfred Nehring entdeckten Cervus ruffii, sondern um einen riesenhaften Cervus elaphus. An der Stelle in Neubrück, etwa vier Meilen von Fürsten­walde, wo der Hirsch erlegt wurde, befand sich eine Erinnerungstafel; vor mehreren Jahren erblickte ich dort ein steinernes Denkmal, welches den Hirsch in liegender Stellung darstellt.

Das Hirschgeweih erinnert gleichzeitig an die freundlichen Beziehungen zwischen zwei von Natur und Geist so verschieden wie, möglich gearteten Königen, August dem Starken von Polen und Friedrich Wilhelm I., längere Eeit bestanden. Über anderweitige Austauschungen von Kwnstgegenstünden

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*) Der damals schon krankende Kardinal Mazarin, der bereits im folgenden Jahr (9. März 1661) zu Vincennes verstarb.