Dr. Fniower, Ein litteiarisches Zeugnis über den Weinbau in der Mark. 183
„Die Oder zeuht darnach fiirt an,
Trifft immcrliin die alte ban
Kür Crossen iieusst die Neuss darein,
Daselbst weclist sehr ein guter Wein.“
(vgl. Die Fabeln des Erasmus Alberus hersg. v. Wilhelm Braune, Hallesche Neudrucker deutscher Litteratunverke des XVI. u. XVII. Jahrh. 1892. S. 80 f.)
Als gewissenhafter Berichterstatter müssen wir fragen: Wann ist die Fabel verfasst d. h. wann sind diese Worte niedergeschrieben? Die Entstehung der eigentlichen Fabel liisst sich nicht genauer bestimmen. Sie ist aller Wahrscheinlichkeit nach viel früher verfasst als die ihr jetzt vorangehende Einleitung, in der sich die citiertcn Verse finden. Diese Einleitung lasst Wilhelm Braune, der Herausgeber der Sammlung zwischen den Jahren 1540 und 1542 entstanden sein (Vorr. S. VII). Dagegen nimmt Franz Schnorr von Carols- feld, der neueste Biograph des Erasmus Alberus (Dresden 1893), Braunes terminus a quo als terminus ad quem und sieht als möglicher Weise frühesten Zeitpunkt der Niederschrift das Jahr 1537 an. 'Woher sich dieser Unterschied schreibt, wird sogleich klar, wenn wir die Beziehungen des Erasmus Alberus zur Mark Brandenburg ins Auge fassen.
Erasmus Alberus, den die Litteraturgeschiclite ausser als Fabeldichter auch als Verfasser weltlicher und geistlicher Lieder, als religiösen und politischen Publizisten, als Verfasser des ersten eigentlich deutschen Wörterbuches kennt, war von Hause aus Theologe. 1520 finden wir ihn in Wittenberg immatriculiert. Er ward mit Luther bekannt und bald ein leidenschaftlicher Anhänger seiner Person und Lehre. Seine starke Überzeugung, seine entschiedene Gesinnung und seine nicht geringe Begabung Messen ihn einen eifrigen Vorkämpfer des reformatorischen Gedankens werden. Luther muss viel von ihm gehalten haben. Als der neue Landesherr der Neumark, Markgraf Hans von Küstrin, der jüngere Bruder des Kurfürsten Joachim II., der ein eifriger Anhänger der neuen Lehre war und sogleich nach seinem Regierungsantritt für ihre Einführung und Verbreitung in seinem Lande zu sorgen begann, den Reformator bat, ihm tüchtige Prediger zuzusenden, schickte er ihm Erasmus Alberus. Er kam 1537 nach Küstrin und wurde hier Prediger. Früher glaubte man allgemein, Alberus habe im Dienste des Kurfürsten selbst gestanden und sei Oberhofprediger in Berlin gewesen. Diese Meinung aber ist falsch, wenigstens wird sie von seinem neuesten Biographen, dem besten Kenner seiner Wirksamkeit, bestritten.
Dem Markgrafen scheint der neue Prediger nahe gestanden zu haben. In unserer Fabel nennt er ihn seinen gnädigen Herrn. Seiner Gemahlin, der Markgräfin Katharina, widmete er i. J. 1539 sein „Ehbüchlein“, ein Werklein, das aus den Übersetzungen zweier kleiner lateinischer Schriften besteht, eines von Erasmus von Rotterdam verfassten Dialoges und einer Bearbeitung der Bücher des Humanisten Francesco Barbaro de re uxoria. Wie lange Alberus in Küstrin blieb, ist nicht sicher. Keinesfalls länger als 3 bis 4 Jahre. Denn 1540 oder 1541 finden wir ihn schon in einer andern märkischen Stadt, in Brandenburg.
Hier wurde er Pfarrer und Superintendent in der Neustadt, wir wissen