Heft 
(1896) 4
Seite
221
Einzelbild herunterladen

n. (1. bITentl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres.

221

ausgesetzt angelegt, jede neue Erfindung erprobt und benutzt worden, wenn man sich ohne Verteuerung des Herstellungspreises davon ein gefälligeres Aussehen versprechen konnte. Unzweifelhaft hat der Heraus­geber auch seine, über die geschäftliche Verwertung eines guten Ge­dankens hinausgehenden Absichten erreicht, und umgekehrt, weil er sich auf die Volksseele verstand, wiederum seinen geschäftlichen Interessen gedient. Viele seiner Bilderbogen wurden in ungeheuren Auflagen ver­kauft. Gewöhnlich waren es 40, 6080 000 Exemplare, die abgesetzt wurden, manche Nummern aber kamen bis auf 200 000, und von den 1870er Kriegsnummern wurden im Ganzen drei Millionen Stück ver­kauft. Hat man davon jemals in Stadt und Land einen anderen, als guten, anregenden, aufklärenden Einfluss, und bei den Friedensnummern, welche die Konterfeie berühmter Persönlichkeiten, Szenen aus dem täg­lichen Leben, anschauliche Bilder der verschiedenen Handwerke, Tier­bilder, Volksmärchen in einer Reihe von Einzelbildern u. s. f. brachten, andere Wirkungen bemerkt, als dass die Teilnahme an dem Leben aller Volkskreise, der Grossen wie der Kleinen, erweckt und gesteigert, die Phantasie in gesunder Weise angeregt und Belehrung in spielender Art geboten wurde? Tn diesem Sinne waren die derben Wirklichkeits-, nie­mals Zerrbilder aus Neu-Ruppin in Wahrheit ein Volksbildungsmittel, und es kann nur angenehm berühren, dass sie dies nach Willen und Absicht des Herausgebers sein sollten, der hiernach als ein wahrer Volksfreund erscheint. Dass Gustav Kühn, durch seine Erfolge er­muntert, es bescheidentlich unternahm, zwei Wendepunkte preussischer Geschichte auch seinerseits mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln der Volksaufklärung im besten vaterländischen Sinne zu schildern, dürfte bisher noch nicht bekannt sein. Um so dankenswerter sind die vom Geheimrat Schwartz hierüber gemachten Mitteilungen: Der erste Pall trat bei der 1861 begonnenen Reorganisation des preussischen Heeres ein, die, wie erinnerlich, zu vielen Missverständnissen und An­griffen gegen die Regierung Anlass gab. Kühn glaubte, die gute Absicht des Königs, die älteren Jahrgänge der Heerespflichtigen zu entlassen, nicht besser, als durch ein Bild mit begleitendem gereimten Text er­läutern zu können, welches das Geschick des Landwehrmanns vor und nach der Reorganisation einander drastisch gegenüberstellte. Das Bild ist damals viel gekauft worden und hat dazu beigetragen, mit der Neuerung auszusöhnen*). Man erinnerte sich höchsten Ortes dieser nicht unbekannt gebliebenen Thatsache, als es sich wenige Jahre später 1867 um die Gewinnung der Hannoveraner für den erfolgten Anschluss an Preussen handelte. Damals kam der bekannte Stieber nach Neu-Ruppin, um mit Kühn zu unterhandeln, und Kühn wusste Rat. Es gab einige Fäden

* Der zweite Fall betraf die Entscheidung über Schleswig-Holsteins Geschick.)