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9. (1. öffentl.) Versammlung des IV. Vereinsjabres.
enthält. Die ersten Bogen sind, da Senefelder’s lithographische Kunst noch nicht erfunden war, in Holzschnitt. Aus dem Jahre 1775 ist in dem Album nur Ein Blatt, die Kreuzigung Christi darstellend; da es aber die Fabriknummer 160 trägt, so musste damals schon die Herstellungsweise bereits eine recht mannigfaltige sein. Dann folgt eine Darstellung der Schlacht bei Bautzen, 20. 21. Mai 1813. Die Massenerzeugung der weltbekannten Kühn’schen Fabrik — welches Berliner Kind hätte nicht die Devise „gedruckt zu Neu-Ruppin bei Gustav Kühn“ mit immer erneuter Freude gelesen? — beginnt erat seit der Einführung des von Senefelder in Bayern*) erfundenen Steindrucks.
Seit langer Zeit hat in Neu-Ruppin die nicht minder rühmlich bekannte Firma Oemigke & Riemschneider konkurriert, welche immerhin auch bereits, ihrer Angabe nach, seit beinahe 100 Jahren thätig ist.**)
Diese Firma hatte die Güte gehabt, zur heutigen Sitzung der „Brandenburgia“ und zur späteren Aufnahme in die Sammlungen des Märkischen Museums einzusenden:
1. eine Anzahl Blätter ihrer Erzeugnisse in Bilderbogen und Bilderbüchern, wie sie z. Z. am gangbarsten sind und in ihrer „Abteilung für Bilderbogen und Bilderbücher“ seit jeher hergestellt werden;
2. um zugleich den Nachweis zu liefern, dass diese vaterländische Industrie auch mit der Zeit künstlerisch vorgeschritten ist und dem jetzigen Geschmacksbedürfnis Rechnung trägt, eine Anzahl Proben der Erzeugnisse ihrer „Abteilung für den feinsten Chromodruck“.
Diese erfreulichen Gaben wurden von unseren Mitgliedern gewürdigt, insbesondere bezeugen die Pracht-Buntdrucke eine solche Meisterschaft, dass sie mit dem Besten, was darin überhaupt die Gegenwart liefert, vollberechtigt in Mitbewerberschaft eintreten können.
Nachdem der 2. Vorsitzende namens des Provinzial-Museums dessen wärmsten Dank für die willkommene Bereicherung der Firma Oemigke & Riemschneider ausgesprochen, wurden deren Einsendungen zur genaueren Kenntnisnahme herumgereicht.
11. Vortrag des Herrn Dr. Galland: Hat unsere Mark eine künstlerische Vergangenheit?
Meine hochgeehrten Damen und Herren! Es ist nicht üblich, wenn man eine Frage mit Bezug auf eine zunächst noch unsichere Sache
*) Aloys Senefelder, geb. 6. Nov. 1771 zu Prag, kam in früher Jugend nach München und erfand um 1795 den schwarzen Steindruck, im Jahre 1826 den farbigen Steindruck. 1819 veröffentlichte er ein „Lehrbuch der Lithographie“ zu München und starb daselbst am 26. Februar 1834. Ein von Moser gefertigtes Marmor-Standbild des verdienten Mannes ist vor dem Schönhauser Thor zu Berlin aufgestellt, und es hat vor einigen Wochen der Magistrat den Antrag gestellt, den kleinen Platz, auf dem das Denkmal steht, Allerhöchsterseits „Senefelder Platz“ zu benennen.
**) Auf der mir mitgeteilten „Fabrik-Marke“ steht die Jahreszahl 1831.