Heft 
(1896) 4
Seite
227
Einzelbild herunterladen

!). (1. fiffentl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres.

227

den Kirchen von Stendal, Brandenburg, Zinna, Jüterbogk, Wilsnack u. a. Orten . . .

Meine Damen und Herren! Das 16. Jahrhundert brachte die weit­gehendsten Veränderungen. Die kirchliche Reformation und das Hoch­kommen der fürstlichen Macht bedingten fast überall mit die Eigentümlich­keit des Kulturlebens. Auch in unserer Mark hörte damls die grosse Initiative der kirchlichen und bürgerlichen Behörden in künstlerischen Dingen auf, und an die Stelle traten die Baupläne der Fürsten. Für sie galt es, die Ortschaften ihrer Monarchie gegen feindlichen Ein­bruch zu schützen und sich selbst ihrem fürstlichen Range ent­sprechende Wohnsitze zu errichten resp. das bereits Vorhandene mode- gemäss zu verschönern . . . Die künstlerische Mode aber kam damals bekanntlich aus Italien, und so sehen wir unter Joachim II. und Johann Georg, die man wohl unsere Renaissancefürsten nennen darf, aus dem Süden Baumeister und Werkleute herbeikommen. Wenn wir den volkstümlichen Kaspar Theiss ausnelnnen, der das Jagdschloss Grunewald und den herrlichen Renaissanceflügel des vormaligen Berliner Schlosses am Schlossplatz errichtete, waren die übrigen massgebenden Bautechniker wohl sämtlich Italiener: Chiaramella de Gandino, Rochus Guerini Graf zu Lynar, Pietro Niuron von Lugano, Gianbattista de Sala. Die erwähnten beiden Kurfürsten zollten der damaligen Mode auch da­durch ihren Tribut, dass sie fortdauernd Kunstwerke italienischer Her­kunft erwarben, mit denen sie den Grundstock zur alten branden- burgischon Kuustkammer legten.

So sehen wir die Renaissance und ein gewisses Kunstleben nur am Berliner Hofe gedeihen. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts tritt bloss insofern eine nennenswerte Änderung in diesen Verhältnissen ein, als die Italiener verschwinden und dafür Niederländer, zuerst in den preussischen Grenzfestungen, als Bauingenieure Anstellung finden. Es ist mir kürzlich gelungen, aktenmässig nachzuweisen, dass diese, auch stark auf Wahlverwandtschaft basierende Hinneigung zu Holland, die bei uns damals den öffentlichen Geschmack in der Malerei, der Plastik und Architektur, ja selbst in der Gartenkunst und der Litteratur beein­flusste dass diese merkwürdige Hinneigung schon geraume Zeit vor dem Grossen Kurfürsten sich bereits unter Joachim Friedrich, Sigismund und Georg Wilhelm deutlich bemerkbar machte . . . Bis in die letzten- Regierungsjahre des Siegers von Fehrbellin trug un­gefähr alles, was an Palästen, an Festungs- und Strassenanlagen, an Kanalbauten u. dgl. geschaffen wurde, einen allerdings vielfach ver­änderten holländischen Charakter. Und auch die Malei und Bildhauer, welche die kurfürstlichen Schlösser dekorierten, welche des obersten Kriegsherrn herrliche Gestalt, die Mitglieder seiner Familie im Bilde

darstellten - sie waren mit wenigen, auch qualitativ nebensächlichen

17 *