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0. (1. öffentl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres.
Ausnahmen, Niederländer. Nur in den Räumen der Bildergalerie, die Friedrich Wilhelm so ungemein bereichert hatte, genossen die Malwerke, auch der grossen italienischen Farbenkünstler, eine niemals eingeschränkte Bewunderung.
So ging es, bis das Vorbild Ludwigs XIV., des roi soleil, alle Potentaten zur Nacheiferung hinriss. Friedrich Wilhelm, der jenen König politisch heftig bekämpfte, verschmähte es doch nicht, am Abend seines Lebens, das Banner des Pariser Kunstgeschmacks in unserer Mark znm ersten Male aufzupflanzen. Es ist so gut wie erwiesen, dass er den Entwurf eines Berliner Zeughauses bei dem Pariser Akademiker Francois Blondel bestellt hatte. Unser berühmtes Zeughaus war wieder das erste öffentliche Bauwerk, das im schroffen Gegensatz zur Architektur der Holländer stand, die ihre Arsenale stets als einfache Nutzbauten auffassten, während die Franzosen unter Ludwig XIV. ihre Kriegsbauten gern als Denkmäler nationaler Gloire gestalteten. Von diesem Gesichtspunkt betrachtet, verwirklichte unser Zeughaus damals in jedem Falle einen echt französischen Baugedanken; deutsch oder niederdeutsch daran sind eigentlich nur die Masken sterbender Krieger im Hofe, von Andreas Schlüter, der hier mit seinem schroffen Realismus die Kehrseite der glänzenden Medaille, die Schrecken des Krieges, erschütternd wahr und doch würdig hervorhob.
Eine eigentümliche Erscheinung in der märkischen Kulturgeschichte bildet die Persönlichkeit des ersten Königs Preussens. Er war der Sohn einer Oranierin, und so sind auch die Holländer und ihre deutschen Schüler unter ihm nicht verschwunden. Aber andererseits hätten sich seine grossen Prachtbedürfnisse ganz gewiss dem französischen Modegeschmack noch mehr geneigt gezeigt, wenn nicht die üppige Barockkunst eines Andreas Schlüter dem damaligen Bedürfnis nach Reichtum, Kraft und Bewegung der künstlerischen Formen vollauf entsprochen hätte. So verdanken wir besonders dem Genius Schlüter’s, dass n icht Elemente von minderer Originalität, die einen uns vielleicht nicht sympathischen künstlerischen Geschmack hierher verpflanzt, bei den wichtigsten Bauten jener Zeit zur Geltung kamen.
Nach dem Tode dieses glänzenden Fürsten sank das höfische Kunstleben von seiner Höhe herab. Die Architektur verfiel rasch der Nüchternheit, Derbheit, der geistigen Öde der Erfindung, an die ein jeder von uns denkt, sobald er nur die Bezeichnung „Zopfstil“ hört. Nicht einmal dieser vielverspottete Stil, wie er sich noch heute u. a. an mehreren heimischen Kirchenbauten des 18. Jahrhunderts findet, ist unmittelbar aus der, wenn auch roheren Kunstempfindung der damals massgebenden Gesellschaftskreise hervorgegangen, sondern er ist in Wahrheit auch nur ein Ableger oder ein Enkelkind des holländischen Klassicismus — war doch sein bekanntester Vertreter in Berlin, der