9. (1. Offentl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres.
229
Architekt Boumann d. Ält., der den alten Dom baute, von Herkunft Niederländer. Unter dem Soldatenkönig entstand ferner, was mir sehr charakteristisch erscheint, das holländische Stadtviertel in Potsdam . . . Dagegen war der alte Fritz, dessen ästhetische Grundsätze bekannt sind, auch in der Architektur ein erklärter Liebhaber des französischen Rococos, und wir wissen ja, init welchen vergeblichen Schwierigkeiten Friederiehs berühmter Baumeister von Knobelsdorff, der Schöpfer unseres Kgl. Opernhauses, oft zu kämpfen hatte, um den geistvollen Monarchen, dessen Neigungen ganz in den Fesseln der graziösen französischen Dekorationskunst seiner Zeit lagen, für den ernsten strengen Geschmack seiner vorklassischen Kunstrichtung zu interessieren. In der Malerei schwärmte Friedrich für die Schöpfungen Watteaus, Bouchers Lancrets, und zum Hofmaler und Akademiedirektor machte er gleichfalls einen Landsmann seines Lieblings Voltaire, den freilich sehr geschickten Antoine Pesne, von dessen Portraits die königlichen Schlösser noch heute voll sind . . .
Ausserhalb der Hofsphäre schuf damals schon Daniel Chodowiecki. ln diesem Künstler beginnt gleichsam das märkisch-preussische Gewissen sich zu regen. Drei Jahrhunderte lang hatte es, mit geringen Unterbrechungen, geschlummert: Italiener, Niederländer, Franzosen waren dauernd zu Worte gekommen; nur der Genius des märkiscli-preussischen Volkes, der sich doch schon auf anderen Gebieten grossartig bewährt, vermochte künstlerisch kein verständliches Idiom zu sprechen, keinen den fremden Kunstsprachen adäquaten Ausdruck zu finden . . . Chodowiecki kam aus dem preussischen Osten, von wo auch früher Schlüter und neuerdings der Dichter Sudermann nach Berlin kamen. Sie gehörten, mit dem Homer der Frau Wilhelmine Buchholz, zu den gewordenen Berlinern, die häufig einen viel schärferen Blick für die Eigentümlichkeiten des Berlinertums, für die Tugenden, Wunderlichkeiten und Schwächen unserer Umgebung bekunden . . . Das aber wurde seit Chodowiecki evident: dass unser Spreeathen kunstgeschichtlich die Mark repräsentiert. Dieser alte Maler-Radierer, den man wohl den. Vorläufer Menzels nennt, errang grosse Erfolge mit seinem gesprächigen Realismus, der so nüchtern, so philiströs erscheint und doch so gemütvoll wirkt. Es liegt für ihn und uns kein Vorwurf darin, dass Göthe in den „Propyläen von 1800“ die durch Chodowiecki repräsentierte Berliner Kunst als „zu prosaisch“ bezeichnet. Freilich gehört märkisches Heimatsgefühl dazu, um die realistischen Portraits unseres damaligen Kleinbürgertums in seiner Einfachheit, ehrsamen Tüchtigkeit und behaglichen Geschwätzigkeit ungemein sympathisch zu finden . . .
Leider trieb das kleine märkische Schifflein sehr rasch wieder in eine breite kosmopolitische Wasserstrasse, auf der es bald verschwand, bald wieder mutig anftauehte. Berlin wurde nach den Befreiungskriegen