Heft 
(1896) 4
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11. (9. ausserord.) Versmnrnlung der Gesellschaft.

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Bacchus-Gabe am Bugspriet des vom Stapel laufenden neuen Fahrzeuges; und auch hier gilt es den ohnehin besonders abergläubischen Seeleuten als ein gar unheilvolles \ orzeichen, wenn die Frau, welche das Opfer darzubringen hat, nicht die Glasflasche mit dem ersten Wurf zu zer­schmettern vermag.

Bei vielen slavischen Stämmen in Russland und Polen hat sich die Sitte, die ich selbst hier in Berlin bei Gelagen von Slaven erlebt habe, erhalten, dass man, nachdem man dem Gast, dem Freunde, dem Gastgeber oder sonst wem zugetrunken, das Glas hinter sich auf der Erde zerschellt, damit der Trunk dem Bedachten zum Wohle be­komme und damit ihm zugleich eine besondere Ehre erwiesen werde, indem kein Mensch mehr das Glas entweihen soll, mit dem die Gesund­heit zugetrunken ward. Bleibt das Glas hierbei durch Zufall ganz, so gilt dies als von übler Vorbedeutung für den Bedachten.

Oer Vorfall, dasWunder beim Richtfest der Kaiser Friedrich- Gedächtniskirche, lehrt, dass nicht alle in den Sagenbüchern und Volks­überlieferungen erhaltenen ähnlichen Erzählungen auf Erfindung zu beruhen brauchen, dass vielmehr manche wahr sein mögen, aber aller­dings nicht auf einen unerklärlichen Zufall, sondern auf einfache physi­kalische Gesetze zurückzuführen sind. Doch lehnt sich gerade an dergleichen Erlebnisse gern die mythenbildende Neigung und Kraft des Volkes an und dass dieselbe selbst in unserm als freigeistisch ver­schrieenen oder gerühmten Spree-Athen nicht erloschen sei, das ist durch die Werkleute aus dem Volk erhärtet, welche sich gedrungen gefühlt haben, in uralt überlieferter heidnischer Weise den Vorgang all- sogleich mit dem Opfer eines Menschenlebens in Verbindung zu bringen. Dies stempelt das geschilderte Geschehnis für den Erforscher der Volksseele zu einer beachtenswerthen, der Rachwelt zu überliefernden Thatsache.

Die ii. (g.ausserord.) Versammlung der Gesellschaft

tagte am Dienstag, den 12. November, mittags 1272 2 V 2 Uhr im König­lichen Museum für Naturkunde. Der Vorsitzende, Geh.Reg.-R. Friedei, bat, nach kurzer Eröffnungs-Ansprache, den Direktor der zoologischen Samm­lungen dieses Museums, Geh. Reg.-R., Prof. Dr. Möbius um die freund- lichst in Aussicht gestellte Führung und Erläuterung. Dieser verteilte zum Zweck genauerer Uebersicht der Anstalt die im Jahre 1889 zur Feier der Eröffnung des Museums verfasste Schrift:Das Museum für Naturkunde der Königl. Fr. W. Universität in Berlin und erläuterte