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10. (8. ausserord.) Versammlung des 10. Vereinsjahres.
Das alte barbarische Menschenopfer, das Blutvergiessen, das Blut- opfer wurde aber auch durch das Trankopfer (bei Kirchen stets iu Gestalt des Weines, als eines biblischen und geheiligten Getränkes) ersetzt. So beim Richtfest weltlicher und kirchlicher Bauten noch heutigen Tages. Das Glas, aus welchem das Wohl und Hoch ausgebracht ist, das Glas, in dem noch 'Tropfen des Opfer-Weines hangen, wird zuguterletzt den uuerforschlich waltenden dunkeln Mächten dargebracht. Damit es nicht durch weitern Gebrauch entweiht werde, soll es durch llinabwörfen zertrümmert werden. Gelingt dies — und das trifft natürlicher Weise in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle zu — so ist das Trank- und Bau-Opfer als wohl gefällig angenommen, bleibt es unversehrt, so gilt das Opfer als verschmäht, und dann muss ein anderes, schwereres Opfer herhalten, wenn der Bau gefestigt und gesichert sein und bleiben soll.
Als Bau-Opfer anzusehen sind die in den Fundamenten vermauert oder vergraben gefundenen Gefässe des Mittelalters, in denen sich Spuren von Getränken (Wein, Meth, Bier), von Eiern, von Tieren (Hasen, Hunden) vorfinden. Eine grosse Menge von einschtäglichen Fällen sind aus der Provinz Brandenburg, ganz besonders auch aus Berlin bekannt, wie die hierauf bezüglichen im Märkischen Museum vielfältig gesammelten, immer von Neuem wieder bei Hausabbrüchen, Fundament-Ausgrabungen etc. vorkommenden Funde zweifellos erhärten*).' Bis in die neue Zeit ziehen sich dergleichen Trank- und Bau-Opfer; so wurden beim Abbruch eines Hauses zu Berlin in der Mittelstrasse Nr. 21 22 im Jahre 1875 drei flaschenförmige Steingutkruken mit verdorbenem Wein in den Fundamenten eingemauert gefunden (M. M. VI. 1324), deren wohlvorbereitete und beim Bau des Hauses im Jahre 1712 beabsichtigte Niederlegung aus einer beigelegten Kupferplatte hervorgeht, mit der eingravierten Inschrift: „Tob. 4 v. 12. Berlin 1712. L. B. Rode.“ Ferner sind aus dem Märkischen Museum als Fundstücke von ähnlicher sinnbildlicher Bedeutung zu erwähnen die Weinflaschen: VI. 1984 (von der Schlossfreiheit), VI. 3704 (von Klosterstrasse 68), VI. 6742 (von Kronenstr. 22).
Auf die Sitte, vor der Hochzeit Gefässe mit Flüssigkeit zum Wohle des Brautpaares darzubringen, deutet der in derberer Form und Sitte erhaltene Polterabend mit seiner Losung: je mehr Scherben, je mehr Glück!
Auf eine ähnliche Vorstellung weist die Schiffs-Taufe hin, das Zerschellen einer Flasche mit Schaumwein oder einer anderen edlen
*) Unter dein alten Berlinischen Rathaus in dieser Weise als Banopfer beigesetzt, fanden sich die iin Mark. Museum unter B. IY. 17 u. 18 inventarisierten zwei Gefässe, welche ich in der Zeitschrift „Der Bär“, Bd. 1, Jahrg. 1875, S. l&l, abgebildet und besprochen habe. Siehe auch: Buchholz, Berlinische Alterthümer, 1890, S. 108 u. 109.