10. (8. ausserord.) Versammlung des 10. Vereinsjahres.
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teiligten Personen war der amtirende 76 jährige Prediger Stechow, der sich bis dahin einer guten Gesundheit erfreut hatte. Derselbe begann nun im Spätherbst zu kränkeln und starb am 19. April 1895. Die Leute erinnerten sich alsbald, dass dies noch während des verhängnisvollen Jahres geschah, innerhalb dessen nach der Volksmeinung bei verschmähtem Bauopfer Einer der Beteiligten sterben muss. Es erschien im Uebrigen fast selbstverständlich, dass dies Schicksal den Aeltesten traf. —
Sehen wir uns nun nach ähnlichen Vorgängen und nach einer Deutung des hier mitspielenden Volksglaubens um.
Ein Becherglas mit dem Namenszug FR und dem Kurhut darüber wurde beim Einzuge König Friedrich I. in Berlin vom .Marienturm herabgeworfen, ohne zu zerbrechen. Dasselbe befindet sich im Hohenzollern-Museum, eine Abbildung des Gefässes in halber Grösse giebt unsere Figur B.
Der Boden, auf den das Gefäss fiel, mag wohl auch frisch aufgeworfen gewesen sein, wie damals, als der arme Chorschüler, der Dohlen- Eier gesucht hatte, von seinen zwei Kameraden verräterisch losgelassen, von der Höhe desselben Turms fiel und zum grössten Erstaunen der gerade versammelten Marktweiber unversehrt blieb. Allerdings soll dabei der fliegende weite Chormantel, in dem sich der Wind fing, auch das Seinige zur Rettung des Aermsten beigetragen haben*).
Carl Simrock (Handbuch der Deutschen Mythologie, 3. Aufl. S. 53) sagt: „Sollte ein Bau Festigkeit haben, so musste vorher den Göttern geopfert werden“, und führt aus, wie diese Sitte auch von den Christen übernommen sei. Dass Menschenopfer als Bauopfer im weitesten Umfange nicht selten waren, ist aus zahlreichen deutschen sowie slavischen Sagen und Erzählungen bekannt. Später begnügte man sich mit Fuss- stapfen, die in den weichen Ziegelstein getreten, dann gebrannt und vermauert wurden.**) Oder man liess ein unschuldiges Kindlein seinen Schatten werfen und mauerte diesen ein. Oder man vergrub unter den Fundamenten Menschengebeine, wie dies z. B. noch bei der Grundlegung des Turms der Stadtkirche zu Oderberg i. M. vor wenigen Jahrzehnten geschehen ist.
*) Vergl. ,l)er fliegende Chorschüler“ bei Wilhelm Schwarte: Sagen und alte Cescliichten der Mark Brandenburg. 3. Aufl. Berlin 1895, S. 13.
*•) Zahlreiche Fundstiicke dieser Art im Mark. Museum.
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