Heft 
(1896) 4
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12. (2. öffentl.) Versammlung.

(lauerte. In der Zeit dos ärgsten Verfalls im Mittelalter sind nun jene klassischen Keime zu der weltbewegenden Erfindung des Bild- und Buchdrucks nicht ganz verloren gegangen, Guten herg aber, sowie seinen Genossen, bleibt unbestreitbar der Ruhm, die Idee des Typendrucks ziel­bewusst erfasst und dein geschriebenen Wort nutzbar gemacht zu haben.

Im christlichen Mittelalter war aber die Kunst des Zeugdrucks im übrigen, d. h. soweit er für Tapeten, Teppiche, Kleiderstoffe u. dergl. dient, nicht verloren gegangen. Es lassen sich sehr reiche Zeugdrucke, romanisch beziehentlich gotisch stilisiert und gemustert, zum teil mit Spruchbändern oder Namenserklärungen, insofern also den Erinnerungs­tüchern nahe stehend, aus dem X. bis XV. Jahrhundert nachweisen. Forrer a. a. 0., S. 18 sagt:Wie weit man es damals im Zeugdruck gebracht und welche Sorgfalt man ihm damals angedeihen Hess, beweist ein Prunkstück in meiner Sammlung, das, ein mächtiger Eeinendruck mit altem Handkolorit, unter reichen gotischen Baldachinen Christus, Maria, St. Georg and andere Heilige darstellt; darum läuft eine gotische Inschrift und Laubwerk-Ornamentik. Das Ganze ist mit neun ver­schiedenen Modellen kunstreich aufgedruckt und von imposantem Effekt. In den Rheinlanden, besonders Köln, blüte damals der Zeugdruck. Aus diesen Drucken, die auch auf Papier, teils in Schwarz- und Bunt­druck hergestellt waren, ist schliesslich, wie schon angedeutet, der Buch­druck hervorgegangen.

Da ich vom Schweisstuch der Heiligen Veronika am *23. Ja­nuar d. J. (S. 306) zu sprechen Gelegenheit nahm, so will ich noch nachträglich anführen, dass Dr. G. Müller: Der Klosterschatz von Andechs in Bayern (Antiquitäten-Zeitschrift, Strassburg, den 26. Sep­tember 1893, S. 22) erzählt, wie noch heutigen Tages fromme Pilger geweihte Nachahmungen dieses Hochheiligen Erinnerungstuchs aus Rom zum Andenken mitbringen.

Eins der berühmtesten Erinnerungstücher ist der sogen. Bayeux- Teppich (la Tapisserie de Bayeux, the Bayeux Tapestry) aus der Kathedrale zu Bayeux, Departement Calvados, welcher in der dortigen Stadtbibliothek hinterlegt, i. J. 1871 beim Anrücken der Deutschen auf­gerollt und in einem Cylinder aus Zinkblech versteckt wurde. Der Teppich stellt, wie Sie aus dem heut vorgelegten Werk von Jules Comte ersehen wollen*), in steifen, aber charakteristischen Zeichnungen die

*) La Tapisserie de Bayeux. Reproduction daprfes nature. En 7!) Planclies phototypographiques. Avec un Texte historique, descriptif et critique par Jules Comte. Paris 1878, und: The Bayeux-Tapestry reproduced in autotype-plates witli historic notes by Frank Rede Fowke. London. Arunded Society, 1875. Dar- gestellt sind nicht weniger denn G23 Personen, 202 Pferde und Maultiere, 55 Hunde, 505 andere Tiere, 37 Baulichkeiten, 41 kleine und grosse Schiffe, 49 Bäume, im Ganzen 1512 verschiedene Gegenstände. Das weibliche Geschlecht kommt dabei sehr zu