Heft 
(1896) 4
Seite
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12. (2. öffentl.) Versammlung.

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den Eltern sassen, gebreitet, und Alle sangen dann die Verse, die sie indess längst auswendig konnten. Das baumwollene Tuch hat gelben (crund und ist mit braunen und roten Farben bedruckt; seine Länge beträgt 72 zu 82 (entimetern. Das Hauptbild zeigtHerrn Schmidt in kurzen, roten Beinkleidern, langen, hellen Strümpfen und hellem Rock mit. rotem Kragen; er hält eine Zipfelmütze in den Händen und sieht die auf ihn eindringende Männerschaar halb dumm, halb schlau an. Die Männer sind meist Studenten, mit Schnüren auf der Brust, langen Stiefeln und langen Pfeifen. Auch Soldaten sind vertreten. Um das Hauptbild ziehen sich im Kranze zwölf Medaillon-Bilder mit Dar­stellung der zwölf Töchter des Herrn Schmidt. Dazwischen ist überall gefälliges Ornament in Blumen, Blättern und Ranken. Zum Hauptbilde gehören die Verse;Herr Schmidt, Herr Schmidt, Wir haben eine Bitt; Auf Freiersfüssen kommen wir; man sagt: es sind viel Töchter hier. Ja, ja! Ja, ja! Ich bin der Herr Papa. Ein Dutzend Mädchen hab ich nur, von jedem Jahrgang eine Spur. Das erste Medaillon-Bild zeigt lie keineswegs junge Johanna, die mit dem Fächer in der Hand auf einem Sopha sitzt; dazu:Herr Schmidt, Herr Schmidt, Was kriegt denn Hannchen mit? Die kriegt ein Sopha lang und breit Für ihre grosse Sittsamkeit. Auf dem zweiten Bilde: Emma am Schreibpult, die Gänse­feder im Tintenfass; dazuDen Schiller und den Walter Scott, Denn Verse macht sie wie ein Gott. In diesem Stile geht es fort, bis zum zwölften Bilde, das uns Ottilie zeigt, umgeben von zerbrochenen Möbeln und Gerätschaften, eine breite Schürze umgebunden und einen Stiefelknecht in der Hand;Herr Schmidt, Herr Schmidt, Was kriegt Ottilchen mit? Ottilchen ist das Kakelnest, Die kriegt den ganzen Überrest. Diese \ erse haben eine eigene, sich immer wiederholende Melodie, sie stellt einen richtigen, mit Besonderheiten ausgerüsteten Tanz vor, der Jahr­zehnte hindurch auch in den Kreisen Gebildeter beliebt war, während er jetzt nur noch auf Erntefesten und bei Hochzeitsfeiern im Dorfe getanzt wird. Auf den erwähnten rot-schwarz-weissen Taschentüchern oder Knüpftüchern unserer Dorfkinder befinden sich jetzt alle möglichen Tagesfragen in Bild und Versen erörtert. Ihre Billigkeit für dreissig Pfennig erwirbt man sechs Stück sichert ihnen eine weite Verbreitung.

Hiernächst lege ich ein rotseidenes Sport-Taschentuch bedruckt mit der Darstellung eines Stalles (Stallknecht und drei Pferde) vor, etwa aus der Zeit von 1839/40, leider ohne Legende, vielleicht Berliner Fabrikat. (Kat. des MM.s B. M. 11853.)

Ferner ein Plan der Stadt Venedig Steindruck auf Leinwand bezeichnetPianta di Venezia diseg: ed inc. da Guiglielmo Seiffert [gezeichnet und graviert von Wilhelm Seiffert]; unten ist bemeiktPrem. Lit. Kirchmayr [lithographischer Druck von Kirchmayr]. Kat. B. VIT. 216 des Märk. Museums.