l.'J. (8. öffentl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres. 291
Victor von Hehn, dem vergleichenden Sprachforscher, die nötigen natnr- geschichtlichen Kenntnisse fehlen.
In meinem Aufsatz „Mölln und Till Eulenspiegel. Eine Wanderstudie von Ernst Friedei“ Sonderabdruck aus der Zeitschrift „Der Bär“ Berlin 1894 habe ich mich über den Donnerbesen, auf Grund vieljähriger Erfahrung, S. 18 wie folgt ausgesprochen. „Unter Donnerbesen verstellt man in der Priegnitz, Uckermark, Grafschaft Hüppin und bis weit ins Mecklenburgische, Lübecksche (oldenburgische Fürstentum Lübeck), Lauenburgische und Holsteinische hinein besen- oder weichselzopfartige Verfilzungen an Kiefern, Birken- und besonders Weiss-Buchen*), die von Parasiten hervorgerufen, eigentlich krankhaft sind und dem Donner (Donar) geweiht waren. Die Verfilzung befindet sich meist am Ende eines im übrigen ganz oder fast kahlen Astes oder Zweiges, wodurch das Gewächs eben die auffallende Ähnlichkeit mit einem Besen erhält. In und bei Berlin nennt man diese krankhaften Wucherungen meist Hexen besen, bei Berlin sagt man, sie sind wie ein Kenster, d. h. wie eine Mistel (Viscum album)**). Man kennt die Hexenbesen, da der eigentliche Waldbaum in unserer nächsten Nachbarschaft bei uns Pinus silvestris ist, meist aber nur von dieser unserer heimischen Kiefer und hält sie auch, als gut gegen Feuer, Blitzschlag und Hexerei, namentlich gegen das Alpdrücken. Auf diesem Besen ^ reiten die Hexen in der Walpurgisnacht zum Blocksberg. Dergleichen Hexenbesen von Pinus silvestris habe ich in der Hasenhaide, der dungfernhaide, dem Grunewald und dem Kiefernwäldchen nahe dem Grundstück der Berliner Schützengilde in Schönholz, gesehen. Diese geheimnissvollen, dem Volke rätselhaften, natürlichen Besen scheint man anfänglich auf den Holzhäusern an der Giebelfirst gegen Blitz- und Feuerschaden befestigt zu haben. Später hat man im Rohziegelbau der Giebelfelder diese Donnerbesen im Mauerwerk nachgeahmt, und
*) Auch bei Erlen (Alnus'glutinosa) will man entsprechendes bemerkt haben, Auch auf Traubenkirschen (Prunus padus), Sauer-Kirschbäumen sowie Vogelkirschen, desgleichen an Edeltannen, Pflaum- und Pappel-Bäumen habe ich Donnerbesen-Bildungen wiederholt bemerkt. Sicher kommen sie ferner an Hol buchen (Fagus silvatica) und echten Kastanien (Castanea vesea) vor; in den Wäldern von Castanea vesca bei Lugano habe ich dergl. öfters gesehen.
**) So z. B. gehört von den Leuten des Herrn Dr- Carl Bolle auf der Insel Scharfenberg im Tegler See. Wenn Kochholz in der Schweiz die geheimnissvolle Mistel „Donnerbesen« nennt, so kann das nur in übertragener Bedeutung richtig sein. Weil grosse Mistelbüsche kraus und wirr, wie ein eigentlicher Donnerbusch von Pinus und Carpinus oder Betula aussehen, so werden sie, ohne es wirklich zu sein, ebenfalls Donnerbesen getauft. Vgl. auch W. Schwanz: Indogermanischer Volksglaube. Berlin 1885. S 102 flg. Unter Kenster versteht übrigens das Landvok bei Berlin nicht blos die Mistel, obgleich diese für den Ausdruck gewissermassen typisch ist, sondern alle wirren Zweig- und Laub-Massen überhaupt.